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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin
Autoren: Ines Thorn
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reden möchte, darf ich ihr dann das Buch zeigen?»
    Priska seufzte, dann erwiderte sie: «Ja, mein Schatz, dann darfst du das. Aber ich werde dir sagen, wann es so weit ist. Vorher bleibt dieses Buch unser Geheimnis. Das Geheimnis von Mama, Papa und dir.»
    Sie begann zu lesen, von der Tür her hörte sie ein merkwürdiges Geräusch. So, als hätte jemand sein Ohr an das Holz gepresst und schliche jetzt langsam davon.
     
    In den nächsten Tagen achtete Priska auf jede Kleinigkeit. Wenn herauskäme, dass sie das Neue Testament im Hause hatten, dann würden sie der Stadt verwiesen. Nicht, dass Priska das allzu schlimm finden würde. Alles zog sie nach Zuckelhausen. Aber Adam konnte nur in der Stadt seinen Kranken dienen. Nur hier, in seinem Laboratorium konnte er seine Experimente durchführen und seine Aufzeichnungen über langjährige Krankenverläufe erledigen. Und nichts sonst begehrte er.
    Natürlich fiel ihr auf, dass sich jemand an ihren Schränken und Truhen, an Körben und Kästen zu schaffen gemacht hatte. Ein Kleid lag mit verknicktem Saum in der Truhe, ein Wollknäuel, das sie am Vorabend ganz oben aufgelegt hatte, war nun in der Mitte des Korbes.
    Und dann sagte Regina, als sie gemeinsam das Mittagsmahl in der Küche bereiteten: «Hast du von dem Neuen Testament des Ketzers Luther gehört?»
    Priska war auf der Hut. «Natürlich», erwiderte sie langsam und ruhig. «Die ganze Stadt spricht von nichts anderem. Jeder hat davon gehört.»
    «Zu gern wüsste ich, was darin steht», sprach Regina weiter und beobachtete Priska aus zusammengekniffenen Augen.
    «Was soll schon darin stehen? Nicht viel mehr, als die Priester von der Kanzel predigen.»
    «Hattest du schon eines davon in der Hand?», lauerte die Schwester.
    Priska schüttelte den Kopf. «Du redest, dass du dich elend und krank fühlst, kaum die Hausarbeit schaffst. Nun willst du, die das Lesen immer gehasst hat, ein so dickes Buch studieren?»
    «Pfff», machte Regina. «Natürlich bin ich krank und elend. Dein Mann und du, ihr lasst mich verkommen.»
    «Nun, den Eindruck habe ich nicht. Seit du bei uns bist, hat sich dein Zustand offensichtlich verbessert. Deine Wangen haben wieder Farbe, du hast zugenommen, bist kräftiger geworden.»
    «Kräftiger, ja», zischte Regina und machte ihren Mund ganz schmal. «Aber nur kräftig genug, um euch den Haushalt zu führen. Gerade so viel von der Wunderarznei bekommeich, dass ich die Wassereimer zum Brunnen schleppen kann. Nur so gesund lasst ihr mich werden, wie es euch dient. Könnte ich Gulden zahlen und euch Silberstücke auf den Tisch legen, ginge es mir weitaus besser.»
    «Das stimmt nicht, Regina. Du bekommst, was möglich ist. Ohne Adam wärst du längst tot.»
    Regina antwortete nicht, doch Priska wusste, dass sich recht bald ihr Zorn entladen würde. Und sie hatte Angst davor.
     
    Nach dem Mahl brachte ein Bote ein Schreiben. Priska öffnete es und las.
    «Mein Herz, mein Lieb,
    geh zum Mietstall und nenne deinen Namen. Komm. Verliere keine Zeit. Ich habe so lange auf dich warten müssen.
    Aron»
     
    Priskas Herz jubilierte. Aron hatte sein Versprechen gehalten. Sie war so glücklich, dass sie Regina umarmte und sogar Adams Leidensmiene besser ertrug.
    «Ich reite gleich nach Zuckelhausen», stieß sie hervor, griff nach ihrem Haar, strich sich über das Gesicht. «Aber vorher bade ich, wasche mein Haar. Regina, mach Wasser heiß, dann bügele mein blaues Kleid.»
    «Baden? Heute? Es ist Montag. Wieso badest du an einem Montag?», fragte Adam.
    «Weil ich es gern so möchte», entgegnete Priska und gab ihm einen übermütigen Kuss auf die Wange. «Weil ich schön sein möchte.»
    Ihr Mann nickte. «Es findet keine Messe statt», stellte ernur fest. Er hatte noch nie über Aron gesprochen, doch Priska war bekannt, dass er von Arons Messebesuchen und ihren heimlichen Treffen wusste. Sie hatten seit Noras Geburt ein heimliches Abkommen, das sie ohne Worte miteinander vereinbart hatten. «Du kannst Aron sehen und bei ihm sein, wann immer du möchtest. Ich kann dich nicht lieben, deshalb kann ich dir die Liebe zu einem anderen nicht verbieten. Sorge aber dafür, dass ich nicht zum Gespött der Leute werde, sorge dafür, dass dein Ehebruch nicht ruchbar wird.»
    So lauteten Adams Bedingungen, die er nie in Worte gefasst hatte. Und Priskas schweigende Antwort darauf lautete: «Ich gehe zu Aron, wann immer ich kann. Aber ich werde dafür sorgen, dass auf dich, mich und unsere Ehe dabei kein Makel
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