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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker
Autoren: John Irving
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[9]  1
    Joghurt und jede Menge Wasser
    Ihr Gynäkologe hat ihn mir empfohlen. Wie könnte es anders
sein: Der beste Urologe in New York ist ein Franzose. Dr. Jean-Claude Vigneron: NUR NACH VEREINBARUNG .
Also vereinbarte ich einen Termin. »Gefällt Ihnen New York besser als Paris?«
fragte ich ihn.
    »In
Paris war es mir nicht zu gefährlich, ein Auto zu besitzen.«
    »Mein Vater ist
auch Urologe.«
    »Dann kann er
nur ein zweitklassiger sein«, antwortete Vigneron, »wenn er nicht weiß, was
Ihnen fehlt.«
    »Es ist
unspezifisch«, erwiderte ich. Ich kannte meine Krankengeschichte sehr gut.
»Manchmal ist es unspezifische Urethritis, einmal war es unspezifische Prostatitis.
Einmal hatte ich Tripper – aber das ist eine andere Geschichte. Und noch ein
anderes Mal war es ein einfacher Bazillus. Aber jedes Mal: unspezifisch.«
    »Also mir sieht
das sehr spezifisch aus«, meinte Vigneron.
    »Nein«, sagte
ich, »manchmal reagiert es auf Penizillin, manchmal krieg ich es mit Sulfonamid
weg. Oder auch mit Furadantin.«
    »Na also, da
haben Sie es!« erwiderte er. »Urethritis und Prostatitis sprechen nicht auf
Furadantin an.«
    »Na also«,
sagte ich, »da haben Sie es! Das war halt was anderes.
Unspezifisch.«
    »Spezifisch.«
Vigneron war beharrlich. »Etwas viel Spezifischeres als den Urogenitaltrakt
gibt’s doch kaum.«
    Er zeigte es
mir. Auf der Untersuchungsliege bemühte ich mich, ganz ruhig zu sein. Er gab
mir eine vollendete Plastikbrust, eine schönere hatte ich noch nie gesehen:
Farbe und Gestalt absolut naturgetreu, und eine wunderschöne, aufrechte
Brustwarze.
    [10]  »Meine Güte…«
    »Beißen Sie
ruhig drauf rum«, ermunterte mich Vigneron. »Denken Sie nicht mehr an mich.«
    Ich hielt diese
außergewöhnliche Brust fest und sah ihr fest ins Auge. Ich bin ganz sicher, daß
mein Vater keine solchen modernen Instrumente in seiner Praxis verwendet. Wenn
er steht, geht das gräßliche Abstrichröhrchen etwas leichter hinein. Ich
erinnere mich daran, daß ich total verkrampft war und einen Schrei
unterdrückte.
    »Sehr spezifisch«, meinte Jean-Claude
Vigneron, und der Fuchs antwortete auf französisch, als ich ihm sagte, daß es
doch zumindest etwas ungewöhnlich sei, eine Brust in der Hand halten und ohne
Rücksicht auf Verluste hineinbeißen zu können.
    Vignerons
Diagnose wird besser verständlich, wenn man die Hintergründe meiner Krankheit
kennt. Schwierigkeiten und Schmerzen beim Pinkeln habe ich schon lange.
    Siebenmal habe
ich in den letzten fünf Jahren unter dieser seltsamen Unpäßlichkeit gelitten.
Einmal war es Tripper, aber das ist eine andere Geschichte. Normalerweise ist
das Ding morgens einfach total verklebt. Mit einem vorsichtigen Zwicken bringe
ich es wieder in Ordnung, oder zumindest halbwegs in Ordnung. Das Urinieren
erweist sich oft als eine Herausforderung, das Gefühl ist immer wieder neu und
überraschend. Und es nimmt sehr viel Zeit in Anspruch – man lebt den ganzen Tag
mit dem Gedanken daran, daß man irgendwann bestimmt wieder pinkeln muß. Und was
den Sex angeht, na ja… Der Orgasmus ist wirklich eine bewegende Erfahrung – die
lange und wundersame Reise eines rauhen, überdimensionalen Kugellagers.
Schließlich hatte ich die ganze Sache aufgegeben. Das trieb mich zum Alkohol,
und davon brannte es noch mehr beim Pinkeln – ein unschöner Kreislauf.
    Und immer die
Diagnose: unspezifisch. Der Verdacht auf furchtbare Varianten irgendwelcher
asiatischer [11]  Geschlechtskrankheiten
wurde nie erhärtet. »Irgendeine Infektion« wird immer vorsichtig umschrieben.
Die verschiedensten Medikamente werden durchprobiert, schließlich hilft dann
eines. Dem Gesundheitslexikon zufolge lassen sich vage und schreckliche
Symptome von Prostatakrebs feststellen. Aber die Ärzte sagen immer, dafür sei
ich zu jung. Ich stimme ihnen immer zu.
    Und jetzt
steckt Jean-Claude Vigneron sein Abstrichröhrchen in das Problem. Ganz
spezifisch, ein Geburtsfehler. Das überrascht mich nicht – meiner Meinung nach
ist es auch keineswegs der einzige.
    »Ihr
Urogenitaltrakt ist ein schmaler, gewundener Gang.«
    Ich nahm diese
Nachricht ziemlich gefaßt hin.
    »Die Amerikaner
sind reichlich komisch, wenn es um Sex geht«, sagte Vigneron. Aufgrund meiner
eigenen Erfahrungen fühlte ich mich nicht in der Lage, darüber zu diskutieren.
»Ihr glaubt, man könne alles abwaschen, aber die Vagina ist und bleibt das
schmutzigste Ding auf der Welt. Wußten Sie das? Jede versteckte Öffnung
beherbergt Hunderte
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