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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin
Autoren: Ines Thorn
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Sehnsucht nach ihm. Sie sagte nichts, weil es für das, was sie fühlte, keine Worte gab.
    «Aron.»
    Da nahm er Priskas eine Hand und presste sie auf sein Herz. Die andere aber bedeckte er mit Küssen. «Priska. Mein Lieb, mein Herz, mein Leid, mein Leben.»
    Doch plötzlich wurde die Haustür schwungvoll aufgerissen, und Melchior kam herein. Sie fuhren auseinander. Melchior kam in die Stube und klopfte sich lachend den Schnee von Mantel und Mütze.
    «Habt ihr einen Becher Wein für mich?», fragte er fröhlich. Seine Augen strahlten. Er rieb sich die Hände, warf dann Mantel und Mütze achtlos zur Seite.
    «Mein Freund, was ist dir Gutes widerfahren?», fragte Aron und zeigte mit keinem Wimpernschlag, dass Melchior in einem unpassenden Moment gekommen war. «Erzähle, was ist geschehen. Du strahlst wie ein Weihnachtsstern.»
    Melchior lachte. «Sieht man es mir an?», fragte er verwundert und nahm Priska dankend den Becher mit dem duftendem Wein aus der Hand.
    Er trank einen langen Schluck, seufzte zufrieden, dann aber hielt er es nicht mehr aus: «Margarete wird mit mir zum Neujahrstanz gehen.»
    «Margarete?», fragte Priska verblüfft. «Die Margarete aus der Vorstadt, die bei deiner Mutter lebt?»
    «Ja. Sie.»
    Priska strahlte. «Wie hast du das geschafft?»
    Melchior lachte. «Nicht ich habe es geschafft, sondern sie. Meine Mutter, die immer über Gliederreißen geklagt hat, ist so glücklich, seit Margarete bei ihr wohnt. Die ganze Hütte ist verändert, alles sieht so freundlich und hell aus. Und sie   … Sie ist so zart, fast wie ein Kind. Man möchte sie am liebsten immer in den Arm nehmen.»
    «Du bist also verliebt», stellte Aron lächelnd fest.
    Melchior nickte. «Heiraten möchte ich sie. Ein eigenes Heim möchte ich für sie haben. Aber das will sie nicht.»
    «Nicht?», fragte Priska verblüfft, aber das Lachen auf Melchiors Gesicht wurde noch breiter. «Nein, sie sagt, sie möchte meine Mutter nicht allein lassen. Sie hat nie eine Mutter gehabt.»
    «Und was bedeutet das?», fragte Priska.
    Melchior strahlte. «Ich werde zurückziehen in das Haus meiner Mutter. Im Frühling werde ich gleich hinter ihrer Hütte eine Bleibe für Margarete und mich bauen. Sie wünscht sich Kinder, hat sie gesagt. Dieses Haus hier», er machte eine ausholende Bewegung, «werde ich verkaufen und mir davon einen kleinen Acker leisten. Vielleicht ein paar Stück Vieh dazu. Von meinem Feld allein kann ich keine Familie ernähren. Wenn ich das alles getan habe, dann werde ich sie fragen, ob sie meine Frau werden möchte. Unter dem Maibaum soll sie als Braut tanzen.»
    Aron wurde plötzlich ganz aufmerksam. Er richtete sich gerade auf und fragte, wobei er einen Blick zu Priska warf: «Würdest du auch mir dieses Haus verkaufen? Es steht am Ortsrand. Leicht könnte man Stallungen daran bauen.»
    «Dir? Einem polnischen Pferdehändler?»
    Aron lachte. «Warum nicht? Auch die Sachsen brauchen Pferde. Ich werde sie aus dem Polnischen holen und hier verkaufen. Später vielleicht kann ich sogar darüber nachdenken, wie es wäre, hier in Zuckelhausen Pferde zu züchten. Stallungen brauche ich dafür und Weideland. Aber dieses Haus wäre ein Anfang. Einen guten Gehilfen könnte ich auch brauchen. Einen, der mir sein Ackerland mit Hafer für die Tiere bestellt und sich mit mir die Arbeit teilt.»
    Er hielt Melchior die Hand hin. Der junge Mann zögerte keinen Augenblick, sondern schlug ein.
    Priska aber stand dabei und musste plötzlich mit den Tränen kämpfen. Eine neue glückliche Zeit bricht hier in Zuckelhausen an, dachte sie. Eine Zeit, von der ich immer geträumt habe. Wie gern wäre ich dabei.
    Sie dachte an Adam, an Nora, an ihre Freunde, die nun allesamt hier lebten. Ein tiefer Seufzer entrann ihrer Brust.

Sechsundzwanzigstes Kapitel
    Zwei Tage später erst kam Priska zurück in die Klostergasse.
    «So lange warst du noch nie weg», sagte Adam statt einer Begrüßung.
    «Es war Schneesturm. Die Straßen waren unpassierbar.»
    «Ich weiß», erwiderte er. «Ich mache dir keine Vorwürfe. Hauptsache, du kommst überhaupt wieder.»
    Priska nickte. «Ich werde kommen, solange du mich brauchst», antwortete sie. Wieder stiegen Tränen in ihr auf. Sie vermisste die Fröhlichkeit Zuckelhausens. Hier, in der Klostergasse, erschien ihr plötzlich alles dunkel und trüb. Sie war es so müde, mit Regina zu streiten. Sie war es so leid, Adams gequältes Gesicht zu sehen. Hier, in diesem Haus, gab es so wenig Freude, so wenig
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