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Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Titel: Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier
Autoren: Kai Meyer
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Der Held glitt hinein, verstummte sofort und ließ nur noch ein wohliges Seufzen hören. Sie bemerkte, dass irgendetwas an ihren Fingern haften blieb, etwas Feines, Weiches wie Spinnweben, aber sie dachte sich nichts dabei und wischte es an ihrer Hose ab.
    »Schnell!« Der Geisterhändler lenkte sein Seepferd neben das von Soledad. Die Prinzessin zog sich in den Sattel. Jolly sprang hinter ihr auf und schob Hände und Füße in die Halteschlaufen.
    Mit anfeuernden Rufen trieben sie die Hippocampen zum Aufbruch. Bald darauf sausten sie über die schwarze See.
    »Wir haben Tyrone kräftig in die Suppe gespuckt«, rief Soledad ausgelassen über die Schulter, als sie außer Hörweite der Küste waren. Der Seewind wirbelte ihr Haar in Jollys Gesicht.
    »Ich dachte, die paar zerstörten Schiffe reichen nicht aus, um ihn zu schwächen«, sagte Jolly.
    »Das nicht. Aber er weiß, dass wir die Menschen von Aelenium warnen werden. Also hat er jetzt keine andere Wahl mehr, als morgen früh auszulaufen und so schnell wie möglich mit dem Angriff zu beginnen.«
    »Und das ist gut?«
    »Nun, er muss dazu durch das Gebiet der Antillen-Kapitäne. Und eine solche Flotte werden sie nicht übersehen, und sie werden sich fragen, was aus dem großartigen Landfeldzug gegen Caracas geworden ist, den er ihnen versprochen hat. Die Kapitäne werden erkennen, dass Tyrone sie hereingelegt hat.«
    »Also kein Angriff mehr auf Caracas?«
    »Wohl kaum. Ohne die Antillenpiraten werden es sich unsere Leute auf Tortuga und New Providence dreimal überlegen, ob sie eine Chance haben. Und die Antillen-Kapitäne werden den Durchmarsch von Tyrones Flotte nicht dulden. Sie sind stolze Männer, und Tyrones Verrat wird sie tief in ihrer Ehre kränken.«
    »Heißt das, sie werden ihn angreifen?«
    »Schon möglich. Sie haben keine Chance gegen eine solche Übermacht, aber ich vermute, dass sie seine Flanken und Nachhut attackieren werden. Mit ein wenig Glück werden sie Tyrone empfindlich schwächen. Und das wiederum kommt Aelenium zugute.«
    Jolly lehnte sich vor, um Soledad ins Gesicht zu blicken. »Woher weißt du das alles?«
    Die Prinzessin lachte, und zum ersten Mal seit langem schwang keine Bitterkeit darin mit. »Sie sind Piraten, Jolly. Und Männer. Wenn ich eines von meinem Vater gelernt habe, dann ist es die Fähigkeit, wie einer dieser Kerle zu denken. Glaub mir, das ist viel leichter, als es scheint.« Etwas Ähnliches hatte Soledad schon einmal zu Jolly gesagt, über Griffin und Munk, und auch damals hatte sie Recht behalten.
    »Kenndrick hat sich geirrt«, sagte Jolly.
    »Wie meinst du das?«
    »Als er gesagt hat, kein Pirat würde einer Frau folgen. Ich glaube, du wirst einmal eine ziemlich gute Piratenkaiserin abgeben.«
    Die Prinzessin zuckte die Achseln, aber Jolly erahnte im Dunkeln ihr stolzes Lächeln.
    Klabauter sahen sie keine in dieser Nacht, und auch nicht am folgenden Tag. Die Freunde sprachen wenig und gönnten den Seepferden keine Rast. Der Holzwurm blieb in Buenaventures Rucksack verschwunden; Jolly vermutete, dass er bereits an seinem Heldenepos dichtete. Vage beunruhigt, erinnerte sie sich an die Substanz, die an ihren Händen geklebt hatte.
    Als früh am Morgen des dritten Tages die Nebelwand am Horizont auftauchte, atmeten die Gefährten auf. Hoch über ihnen flatterten die Papageien, und zum ersten Mal wirkten die rätselhaften Vögel beinahe ausgelassen.
    Obwohl Jolly es kaum erwarten konnte, Griffin wiederzusehen, war sie die Einzige, die keine Erleichterung verspürte. Düster sah sie der Begegnung mit Munk entgegen.
    Doch selbst dieser Schrecken verblasste angesichts der Aufgabe, die auf sie wartete. Sie blickte am Nebel vorbei nach Nordosten, über die Weite des endlosen Ozeans. Plötzlich stieg Panik in ihr auf.
    Irgendwo dort draußen lag der Schorfenschrund, viele tausend Fuß unter dem Meer, in eisiger Kälte und ewiger Nacht. Sie hatte ihren Gegner erkannt, ihre Entscheidung getroffen. Aelenium war nur eine Station auf ihrem Weg, nicht das Ziel.
    Die aufgehende Sonne füllte den Himmel mit Gold, und die Gefährten ritten geradewegs ins Licht. Jollys Abstieg in die Schatten aber hatte längst begonnen.

ENDE BAND 2
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