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Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Titel: Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier
Autoren: Kai Meyer
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Ufer, brach erschöpft in die Knie und ließ sich die letzten hundert Fuß von der Brandung zum Strand tragen. Mit dem Holzwurm im Arm rollte sie sich von der schäumenden Gischt in den Sand und blieb liegen. Sie spürte ihre Beine nicht mehr, und ihr fehlte die Kraft, sich in den Schutz der Palmen zu schleppen.
    Sie zog die Knie an, legte ihren Körper schützend um den Wurm und schlief auf der Stelle ein.
    Irgendwann, vielleicht schon bald, vielleicht viel später, erwachte sie vom Klang mehrerer Stimmen. Die Nacht war stockfinster, Wolken mussten aufgezogen sein, denn weder der Mond noch die Sterne waren zu sehen. Sie hatte Sand zwischen den Zähnen. Der Wurm regte sich ebenfalls und schob sich wortlos noch enger an ihren wärmenden Körper.
    Jolly setzte sich im Sand auf. Ihr war schwindelig, und ihre Beine schmerzten. Sie spürte einen aufkommenden Krampf in ihrem linken Fuß und bewegte ihn rasch ein wenig hin und her, um ihn zu lockern.
    Die Stimmen kamen vom Meer, herangetragen vom salzigen Wind.
    Sie sprang auf, bewegte sich langsam auf die Palmen zu und suchte hinter einem Stamm notdürftig Schutz.
    Ein Klatschen und Plätschern ertönte. Etwas rührte sich dort draußen. Ein dunkles Knäuel aus Schatten driftete auseinander, selbst kaum mehr als ein schwarzer Fleck vor der Finsternis des nächtlichen Ozeans.
    »Das sind sie nicht«, wisperte der Holzwurm miesepetrig.
    Jolly legte einen Finger an die Lippen. Ihr Herz schlug so heftig, dass sie befürchtete, die ganze Palme würde von der Erschütterung erzittern.
    »Jolly?« Kaum mehr als ein Flüstern und dennoch unverkennbar. Soledads Stimme!
    Jolly sprang hinter der Palme hervor und stolperte über den weichen Sand. »Hier sind wir!«, erwiderte sie und hatte Mühe, ihre Stimme zu dämpfen. Am liebsten hätte sie geschrien vor Erleichterung. Auch der Wurm entspannte sich. Vorhin hatte er sich fast zu einem Ball zusammengerollt, aber nun streckte er sich wieder und wäre ihr fast aus den Händen geglitten.
    Sie konnte im Dunkeln das Gesicht der Prinzessin kaum ausmachen, aber ihr schlanker Körper und ihre Stimme waren unverkennbar.
    »Beeil dich, Jolly!«
    »Ich bin so froh, dass ihr es geschafft habt!« Jolly blickte an Soledad vorüber. »Es sind doch alle da?«
    »Ja, keine Sorge.« Soledad zog sie kurz an sich, was den Holzwurm empört murren ließ, weil er zwischen den beiden eingequetscht wurde. »Und dem Kleinen geht es auch gut, wie es scheint«, sagte die Prinzessin mit einem Blick auf das fluchende Bündel. »Übrigens, gut gemacht, kleiner Mann.«
    »Mann?«, murrte der Wurm. »Männer sind Menschen. Und lieber wäre ich ein Stein als ein Mensch.«
    »Wir sind nicht sicher, ob sie uns verfolgen«, sagte Soledad zu Jolly.
    »Tyrone?«
    »Nicht er selbst. Seine Leute haben genug damit zu tun, die Schiffe zu löschen. Außerdem ist es zu dunkel, um auszulaufen.« Sie zog Jolly mit sich zum Wasser und watete in die Brandung, während das Mädchen auf den Wellen neben ihr herlief.
    »Wer dann?«
    »Klabauter.«
    Eiseskälte stieg in Jolly auf. Beunruhigt erinnerte sie sich an die Nacht, in der die Carfax verfolgt worden war. Ihr Blick glitt über die Meeresoberfläche, aber es war zu finster, um irgendetwas zu erkennen.
    »Wir sind nicht sicher«, sagte Soledad, während sie mühsam gegen die Wellen ankämpfte und sich der Stelle näherte, wo die anderen sie auf ihren Hippocampen erwarteten.
    »Mach das nie wieder, Jolly«, war das Erste, was Walker sagte, als sie nahe genug herangekommen waren.
    »Hör nicht auf ihn«, widersprach Buenaventure aus dem Sattel seines Seepferds. »Er ist froh, dich zu sehen. Er will es nur nicht zugeben.«
    Jolly grinste, auch wenn sie die beiden kaum erkennen konnte. Eilig lief sie zu ihnen hinüber. »Ratet, wen ich mitgebracht habe.«
    Aus der Dunkelheit streckte Buenaventure ihr seine Pranke entgegen, strubbelte ihr anerkennend durchs Haar und fischte den Holzwurm aus ihrer Umarmung.
    »Sieht aus, als hätten wir hier so was wie einen echten Helden«, sagte er zu dem Wurm.
    Das wundersame Wesen streckte sich stolz zu voller Länge. Teile seines Panzers schabten aneinander.
    »Wohl wahr. Ich denke, jemand sollte diese Großtat zu Versen schmieden. Ein gewaltiges Epos über den Heldenkampf des Hexhermetischen -«
    »Mit tragischem Ausgang«, unterbrach ihn Walker, »wenn ich einen einzigen Reim höre.«
    »Fischhirn! Banause!«
    Jolly half Buenaventure dabei, den schimpfenden Wurm in seinem Rucksack zu verstauen.
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