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Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Titel: Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier
Autoren: Kai Meyer
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verfolgte; was aber zwischen ihr und Walker geschehen war, darüber hatte sie geschwiegen.
    Ohnehin war Jolly mit ihren Gedanken ganz woanders. Sie trauerte um den Hexhermetischen Holzwurm, und sie konnte Buenaventure ansehen, dass es ihm ebenso erging. Der kleine Kerl mochte eine Nervensäge gewesen sein, aber während ihrer Fahrt mit der Carfax war er ihnen ans Herz gewachsen.
    Und dann war da Bannon. Jede Erinnerung an ihn war wie ein Schlag ins Gesicht. Der Mann, der sie großgezogen und den sie geliebt hatte wie einen Vater, hatte sich ihrem Feind angeschlossen. Einem Feind, der -falls Soledad mit ihrem Verdacht Recht behielt - nicht nur ein Menschen fressendes Ungeheuer war, sondern ein Verbündeter des Mahlstroms.
    Auch der Geisterhändler glaubte, dass Tyrone mit seinem Plan, Caracas gemeinsam im Sturm zu nehmen, die Piraten lediglich ablenken wollte. Die Wahrheit lag auf der Hand: Die spanische Armada und die Piratenflotte sollten sich vor Caracas gegenseitig aufreiben, während die Klabauterheere ungestört Aelenium angreifen konnten. Nun erschien auch in einem anderen Licht, warum der Mahlstrom so lange mit seinem Angriff auf die Seesternstadt gewartet hatte.
    Wie wichtig aber war bei alldem das, was Jolly von den Wasserweberinnen erfahren hatte? Jetzt, da sie wieder mit ihren Freunden zusammen war, kam ihr die Begegnung mit den drei Alten noch unwirklicher vor -verschwommen wie ein Traum. Aber durfte sie es sich so einfach machen? Es war verlockend, die Welt wieder wie zuvor in Gut und Böse einzuteilen - Aelenium auf dieser, das Mare Tenebrosum und der Mahlstrom auf der anderen Seite -, doch ihre Vernunft sagte ihr, dass es längst nicht mehr so simpel war.
    Allein die Tatsache, dass der Mahlstrom sich von den Meistern des Mare gelöst haben mochte, verschob das Bild, das sie sich bisher gemacht hatte, auch wenn es dadurch nicht weniger schrecklich wurde. Sie fragte sich einmal mehr, was passiert wäre, wenn die Brücke nicht Feuer gefangen und Griffin sie nicht zurückgezogen hätte.
    Fest stand, dass die Antworten auf diese Fragen nur in Aelenium zu finden waren. Ob die Götter, die sich dorthin zurückgezogen hatten, nun in ihrem eigenen Interesse handelten oder nicht - sie verfügten über das Wissen, die Menschheit zu retten. Die Klabauter mussten aufgehalten werden, bevor sie zu ihren Vernichtungsfeldzügen aufbrachen. Und dem Mahlstrom musste Einhalt geboten werden.
    Was ist böse?, hatten die Weberinnen gefragt. Jetzt erkannte Jolly, dass die Antwort darauf gar keine Rolle spielte. Die Ziele der Bewohner Aeleniums waren unwichtig, solange ihr Kampf dem Schutz der ganzen Karibik diente. Ob dabei Eifersucht oder alte Besitzansprüche der Götter im Vordergrund standen, konnte Jolly gleichgültig sein.
    Was tat Griffin gerade? War er in Aelenium noch in Sicherheit? Wann würde der große Angriff des Mahlstroms beginnen, und wie lange würde die Stadt dem Ansturm der Klabauter standhalten können?
    Und was war mit Munk? Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass Buenaventure, der genau wie sie nachdenklich neben den anderen hergestapft war, sich zu ihr umwandte.
    »Mach dir keine Vorwürfe wegen des Wurms«, sagte er.
    Dankbar ließ sie sich für einen Augenblick von Griffin und Munk ablenken. Nicht dass die Erinnerung an den Holzwurm eine Erleichterung bedeutete. »Wäre ich nicht mit der Carfax aufgebrochen, hättest du mir nicht folgen müssen«, sagte sie bedrückt.
    »Und der Wurm wäre jetzt noch in Aelenium.«
    »Wo ihn die guten Leute des Dichterviertels vermutlich an einem Spieß geröstet hätten, so aufgebracht wie sie waren.«
    Sie schenkte dem Pitbullmann ein halbherziges Lächeln. Es war lieb von ihm, ihr die Verantwortung für das Geschehene abnehmen zu wollen. Trotzdem kannte sie die Wahrheit. Sie allein trug die Schuld.
    Sie versanken wieder in Schweigen, während sie zwischen den äußeren Bäumen des Dschungels nach Westen wanderten, gerade weit genug vom Ufer entfernt, um vor Blicken vom Meer geschützt zu sein. Unter anderen Umständen hätte der Fußmarsch bis zur Steilküste keine Stunde gedauert. Der weiche Sand aber hielt sie auf, und sie alle bewegten sich angespannt und vorsichtig, denn die Gefahr, auf Feinde zu treffen, wurde mit jedem Schritt größer.
    Doch vorerst stießen sie auf keine gegnerischen Posten.
    Das Gelände begann bald anzusteigen und wurde felsiger. Der Sand verebbte zu leichten Verwehungen und blieb dann gänzlich zurück. Pfade gab es hier keine, sie
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