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Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Titel: Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier
Autoren: Kai Meyer
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mussten sich ihren Weg durch das dichter werdende Buschwerk, durch Lianen und Blätterranken mit den Säbeln bahnen. Walker und Buenaventure gingen voraus und hieben eine Schneise ins Dickicht. Jeder Schlag erschien Jolly verräterisch laut, und sie befürchtete, dass die auffliegenden Vögel Tyrones Wachen alarmieren mussten.
    Der Aufstieg wurde jetzt immer mühsamer. Sie bewegten sich auf einer natürlichen Rampe aus Fels, die zu ihrer Rechten steil zum Meer hin abfiel. Irgendwo vor ihnen musste die Festung sein. Doch was befand sich auf der linken Seite? Dschungel, gewiss. Aber wenn irgendwo dort im Süden der See lag, musste das Gelände dazwischen ebenfalls abfallen.
    Die Antwort erhielten sie wenig später, als Walker und Buenaventure stehen blieben. Der Urwald lichtete sich vor ihnen. Das Rotgold der untergehenden Sonne strömte in schmalen Streifen durch die Stämme und färbte ihre Gesichter blutrot. Schon vor einer Weile hatten sie sich von den Klippen abgewendet und waren weiter nach links gewandert, immer dort entlang, wo ein Durchkommen leichter erschien und weniger Lärm verursachte. Dadurch waren sie nun zum Westrand der Felsrampe gelangt.
    Vor ihnen öffnete sich ein Abgrund, so steil wie die Klippen in ihrem Rücken und ebenso unüberwindlich. Hundert Fuß unter ihnen schmiegte sich ein weiterer Dschungelstreifen an die Felswand. Jenseits davon, in der Abenddämmerung schimmernd wie eine Ebene aus Gold, lag der See.
    »Jolly, du Satansbraten, du hattest Recht!« Walker atmete tief ein. Hier auf der Felskante war die Luft klarer und erfrischender als unter dem drückenden Blätterdach des Urwalds. Auch Jolly spürte, dass ihr das Atmen leichter fiel.
    Auf dem See ankerte Tyrones Flotte.
    Es waren mindestens zweihundert Schiffe.
    Eine Weile lang sagte niemand ein Wort. Allen gingen wohl die gleichen Gedanken durch den Kopf. Jeder erkannte, wie ausweglos ein Kampf gegen solch eine Übermacht war.
    Schließlich ergriff Buenaventure das Wort. »Woher hat er die alle?«
    »Gebaut«, sagte Walker. »Sieh sie dir an. Die meisten sind noch nie auf hoher See gewesen.« Er deutete auf eine Reihe von Stegen, Rampen und Holzhäusern an der weit entfernten Südseite des Sees. »Das da drüben müssen die Werkstätten sein.«
    »Aber ich sehe keine halb fertigen Schiffe«, sagte Jolly. »Glaubst du wirklich, dass sie alle hier gebaut worden sind?«
    Der Geisterhändler nickte im Schatten seiner Kapuze. »Die Flotte ist fertig. Diese Schiffe dort unten warten nur noch auf den Befehl zum Auslaufen.«
    »Selbst wenn sich alle Piraten von Tortuga, New Providence und den Kleinen Antillen zusammentun, kommt keine so große Flotte zustande«, sagte Soledad mit stockender Stimme. »Es muss Jahre gedauert haben, so viele Schiffe zu bauen.«
    Soweit sich das in der Dämmerung erkennen ließ, war der Dschungel im Süden weitläufig gerodet worden. Wo der Wald wieder begann, war kaum auszumachen. Feuchtigkeit stieg dampfend vom Boden empor und verschleierte den Horizont.
    »Das kann er nicht ohne Hilfe geschafft haben.«
    Walker sprach aus, was alle dachten. »Die Eingeborenen sind keine Schiffsbauer. Er muss Baumeister angeheuert haben, Zimmerleute, Segelmacher.«
    »Spanier«, sagte Soledad.
    »Spanier?«, wiederholte Walker. Und dann begriff er. »Natürlich! Er begeht nicht nur einen Verrat, sondern gleich zwei! Zur Hölle noch mal!«
    »Zwei?«, fragte Jolly.
    Walker fuhr sich aufgebracht durch sein langes Haar. »Dieser verdammte Hurensohn! Er sichert den Spaniern zu, die Piraten in eine Falle zu locken. Und den Piraten verspricht er einen leichten Sieg über die Spanier. Zum Dank für sein Doppelspiel liefern ihm die Spanier auch noch Männer und Material, um eine eigene Flotte zu bauen. Vielleicht wollen sie ihm später einen Teil der Karibik überlassen oder ihn auf seinen Beutezügen gegen die Engländer unterstützen.«
    Jolly starrte ihn an. »Nicht zu vergessen der dritte Schachzug«, sagte sie leise. »Er verrät die Spanier, indem er die Flotte in Wahrheit für einen ganz anderen Zweck nutzen will.«
    »Die Zerstörung Aeleniums«, murmelte der Geisterhändler. »Auch Tyrone ist nur ein Handlanger des Mahlstroms. Er wird seine Schiffe nach Aelenium schicken, um die Klabauter zu unterstützen.«
    »Und ich möchte wetten«, spann Soledad diesen Gedanken weiter, »dass die Spanier zwar mit einem Angriff der Piraten von Tortuga und New Providence rechnen, nicht aber damit, dass sie sich mit den Antillen-Kapitänen
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