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Untitled

Titel: Untitled
Autoren: nanu
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»Ich würde jemanden umbringen, um nach Stanford zu kommen.« Ein ungläubiges Lachen prustete über ei ­ nen der Esstische im Haus des Schullei ­ ters.
    »Fang an, Football zu spielen«, raunte eine zweite Stimme. »Dann bringen sie sich gegenseitig um, nur um dich zu be ­ kommen.«
    Als ich diesen weisen Rat hörte, balancierte ich gerade ve r zweifelt eine Platte Blitzkrapfen und Ivy-League [1] -Eistorte und betete im stillen, dass das Ganze nicht auf dem kö ­ nigsblauen Aubusson-Teppich landen möge. Ich hatte mei ­ nen Partyservice-Auftrag für den ersten Studienberatungs ­ abend an Colorados renommiertester Privatschule beinahe hinter mich gebracht. Es war ein langer Abend geworden, und das einzige, wofür ich jemanden umgebracht hätte, war ein heißes Bad.
    »Hört auf, Jungs!« ertönte die Stimme eines dritten Schülers. »Der einzige, der nach Stanford geht, ist der hei ­ lige Andrews. Für den würden sie sich umbringen.«
    Heilig... ? Mit dem silbernen Tortenheber der Schule ver ­ teilte ich die letzten drei Stücke Eistorte auf Teller. In dicken Lagen senkte sich Pfefferminzeis in die dunklen Fondantteiche. Ich hetzte zum letzten Grüppchen elegant gekleideter Teenager hinüber.
    Die superathletische Greer Dawson rutschte affektiert in einem limonengrünen Moiré-Kostüm auf ihrem Stuhl hin und her, um einen besseren Blick auf den Tisch des Di ­ rektors zu erhaschen. Greer, der Volleyballstar der Schule, half gelegentlich in meinem Geschäft aus: Goldilocks' Party ­ service: Alles vom Feinsten! Offenbar war sie der Meinung, es gäbe ihr einen Anschein von Vielseitigkeit, wenn sie in ihre Bewerbung für Princeton schreiben konnte, sie habe Po ­ wernahrung mit Elan serviert. Heute Abend servierte sie al ­ lerdings nicht. Greer und die anderen Schüler der Abschlussklasse waren den ganzen Abend vollauf damit be ­ schäftigt, umwerfend auszusehen und sich unbeeindruckt zu geben, während sie den Vorträgen über die bevorste ­ henden Prüfungen und die Besuche der Collegevertreter lauschten. Ich musste mit ihrem Stück Eistorte vorsichtig umgehen. Moiréseide war eine Sache, Eiscreme eine an ­ dere. Mit der linken Hand stellte ich Teller vor zwei Jungen ab, ehe ich das Tablett auf der Hüfte balancierte und das letzte Dessert schwungvoll vor Greer absetzte.
    »Ich bin im Training, Goldy«, verkündete sie, ohne mir einen Blick zu gönnen, und schob den Teller fort.
    Der Direktor stand auf, beugte sich zum Mikrofon hin ­ unter und räusperte sich. Das perlende Gesprächsgemur ­ mel verebbte. Einen Augenblick lang war nur noch der Wind zu hören, der in dicken Schwaden Schnee gegen die hundert Jahre alten welligen Gla s scheiben der Fensterrei ­ hen wehte.
    Ich verschwand in die Küche. In allen Knochen spürte ich die Müdigkeit. Das Dinner war verflixt anstrengend ge ­ wesen. Und zu allem Überfluß fingen jetzt erst die Reden an. Ich sah auf die Uhr: halb neun. Seit vier Uhr nachmit ­ tags war ich mit zwei Helferinnen im Haus des Direktors, um das Essen vorzubereiten und zu servieren. Die Cocktails hatten um sechs begonnen. Kristallgläser mit Chardonnay in der einen und pralle Krabbenspießchen in der anderen Hand, hatten die Eltern sich angeberisch darüber unter ­ halten, dass Tyler die Familientradition in Amherst fortset ­ zen werde (Großpapa war ein Ehemaliger) und Kimberley nach Michigan ginge (bei den Noten, was dachten Sie denn?). Die meisten Eltern hatten mich einfach ignoriert, doch eine Mutter, die magersüchtig dünne Rhoda Marensky, hatte sich mir anvertraut.
    »Wissen Sie, Goldy«, erklärte sie und ließ sich, begleitet vom Rascheln ihres pelzbesetzten Taftkleides, aus erhabe ­ nen Höhen zu mir herab, »unser Brad hat sein Herz an Co ­ lumbia gehängt.«
    Angesichts meiner unbeeindruckten Miene und der nur noch spärlich gefüllten Platte mit Krabbenhäppchen führte Rhodas lang aufgeschossener Mann, Stan Marensky, aus: »Columbia ist in New York.«
    Ich meinte: »Was Sie nicht sagen! Ich dachte, es liegt in Sü d amerika.«
    Als ich kurze Zeit später die Platte mit den Häppchen nachfüllte, ermahnte ich mich, netter zu sein. Vor fünf Jah ­ ren war Stan Marensky das Fanal der Junioren-Fußballmannschaft von Aspen Meadow gewesen, wenn er mit lan ­ gen Beinen und schnellen Schritten an der Seitenlinie auf und abjagte und mit seinen Schreien allen das Blut in den Adern gerinnen ließ. Er hatte alle eingeschüchtert, Schieds ­ richter, Gegner und seine eigene
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