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Die verschollene Symphonie

Die verschollene Symphonie

Titel: Die verschollene Symphonie
Autoren: James A. Owen
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Formation annahm, sich nach Osten wandte und schließlich aus unserem Blickfeld verschwand. Es blieb nicht die geringste Spur von ihnen, abgesehen von einem verräterischen Kügelchen auf dem einen oder anderen Hausdach. Natürlich haben irgendwelche Schäfer behauptet, ihnen seien Engel erschienen, und den Stern haben wir alle gesehen. Aber nur wenigen Glücklichen wurde die Geburt des Christkindes durch das Auftauchen fliegender Kaninchen verkündet.«
     

     
    »Ich war Schreiber in einem der Tempel Jerusalems. Damals drehte sich das ganze Leben um die Ausübung der Religion, und so gab es nur sehr wenig, von dem meine Amtsbrüder und ich nicht erfuhren. Und dieser Sohn eines Zimmermanns aus Nazareth war von Anfang an in aller Munde. Wenn man sich im alten Jerusalem einen Namen machen wollte, musste man nur die Ältesten auf sich aufmerksam machen. Das tat man für gewöhnlich, indem man sie verärgerte, und das wiederum war am besten zu erreichen, indem man irgendeinen obskuren Aspekt der Lehre in Frage stellte oder ihnen eine hirnverbrannte Frage stellte, wie zum Beispiel, ob Moses einen zweiten Vornamen hatte. Wenn man sie jedoch wirklich wütend machen wollte, musste man nur behaupten, man hätte ein wahres Wunder erlebt, und zwar letzten Mittwoch.«
    »Ich weiß, was Sie meinen«, sagte die Ärztin.
    »Die Ältesten hielten Wunder für etwas, das den alten Völkern widerfahren war, angezettelt von den Propheten. Mit der Gegenwart hatten diese Wunder wenig zu tun, außer dass man sie als Lehrstücke verwenden konnte. Der Himmel bewahre jeden, der versuchte, dem klassischen Repertoire eine neue Geschichte hinzuzufügen.«
    »Natürlich«, fuhr Maddox in vertraulichem Tonfall fort, »rührte ihre elitäre Empfindlichkeit zum größten Teil daher, dass keiner von ihnen jemals wirklich Zeuge eines Wunders geworden war, geschweige denn eines vollbracht hätte. Außerdem hätte keiner von ihnen dies mit der Tatsache in Verbindung gebracht, dass sie sich den halben Morgen lang mit nackten ›Priesterinnen‹ im Bett räkelten.«
    »So wie Ihre Mädchen auf Seite drei?«
    »Nein«, erwiderte Maddox und schüttelte den Kopf. »Ich gehe nicht mit Models ins Bett. Jedenfalls – um auf Jesus zurückzukommen – war es ein Skandal, dass der Sohn eines Zimmermanns, der mit seinen Eltern in die Stadt gekommen war, sich anmaßte, die Lehrer belehren zu wollen. Als dann auch noch bekannt wurde, dass seine Worte wohl durchdacht und einleuchtend waren, zog das die Aufmerksamkeit der falschen Leute auf sich. So machte man sich also in den folgenden Jahren, als die Gerüchte von Wundern die Ältesten zu erreichen begannen, zunehmend Gedanken darüber, wie mit diesem jungen Emporkömmling zu verfahren sei. Schlimm genug, dass diese ›Gleichnisse‹ die Runde machten, doch wenn eine ständig wachsende Anzahl von Menschen behauptete, selbst von den Broten und Fischen gegessen zu haben, nun, das konnte man auf Dauer nicht dulden. Etwas musste getan werden. Also grübelten die Ältesten noch ein paar Jahrzehnte und taten schließlich das, was jemand bereits beim ersten Erscheinen Jesu im Tempel vorgeschlagen hatte: Sie brachten ihn um.«
    »Fühlen Sie sich deswegen schuldig?«
    Er blickte sie von der Seite an und lachte. »Der typische Fehler eines Psychologen. Sie richten sich zu sehr nach Freud, dabei sollten Sie sich einmal mit Joseph Campbell befassen.«
    »Ich glaube trotzdem nicht, dass ich Unrecht habe – jedenfalls nicht vollkommen. Sie fühlen sich wegen irgendetwas schuldig, nicht wahr?«
    Er hielt inne, schwieg einen Augenblick und schien seine Gedanken zu ordnen. Als er erneut das Wort ergriff, hatte seine Stimme einen anderen Klang und sein Auftreten war entschlossener.
    »Sie haben ihn gefangen genommen, dort am Strand. Aber er ist ihnen entkommen, so wie in dieser alten Folge von The Twilight Zone, erinnern Sie sich? In der Mönche in Kutten einen tobenden Mann gefangen halten, der schließlich von einem unvorsichtigen, ungläubigen Reisenden befreit wird? Er entkommt immer.«
    »Sie sprechen nicht mehr über Jesus, oder?«
    Er kicherte heiser. »Nein. Das tue ich nicht.«
    »Wer ist ›er‹, Herr Maddox?«
    »Satan«, erwiderte er sachlich. »Er ist Satan. Vielleicht weniger vom Namen her als hinsichtlich seiner Bestimmung, aber er ist Satan.«
    »Ich verstehe«, sagte die Ärztin. »Haben Sie Angst vor ihm?«
    »Angst? Nein. Nicht vor ihm – eher vor dem, was er anrichten könnte und vor der Rolle, die ich dabei
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