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Die verborgene Grotte

Die verborgene Grotte

Titel: Die verborgene Grotte
Autoren: dtv
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unangenehmer Zeitgenosse, der wenig Skrupel hatte, anderen das Leben schwer zu machen, wenn er selbst sich einen Vorteil davon versprach. Da war es erfreulich zu hören, dass auch er nicht immer bekam, was er wollte.
    Als Karl nach Hause kam, war sein Hering mit Kartoffelbrei kalt, obwohl Großvater einen Teller zum Warmhalten darübergedeckt hatte. Ohne Mikrowelle hieß es nun Augen zu und kauen. Wenigstens hatte Großvater nicht geschimpft, weil Karl zu spät gekommen war. Mit Mama dagegen hatte er nicht so viel Glück.
    »Ach ja, übrigens«, nuschelte er, den Mund voll kaltem Kartoffelbrei, »die Fabrikantenvilla ist verkauft worden.«
    »Kau den Mund leer, bevor du sprichst«, sagte Mama streng. »Und hättest du nicht eigentlich schon seit einer Stunde zu Hause sein sollen?«
    »Hab die Zeit vergessen«, sagte Karl. »Entschuldigung.«
    »Im Vergessen bist du wirklich erstklassig«,schnaubte Mama und schüttelte den Kopf. »Von mir hast du das nicht.«
    Großvater saß am Wohnzimmertisch und war gerade dabei, den Schalter der Leselampe auseinanderzuschrauben. Er zuckte mit den Schultern. Offenbar war er der Ansicht, dass kalter Hering Strafe genug war. Mama saß Karl gegenüber und blätterte in einer Zeitung.
    Sie war in dieser Woche ungewöhnlich reizbar gewesen. Karl war schon fast so weit, sich zu wünschen, dass sie bald wieder auf ihr Forschungsschiff verschwinden würde.
    Manches war wirklich einfacher, wenn Großvater und er alleine waren. Sie hatten ihren eigenen Rhythmus gefunden, ihre eigene Art, Dinge zu erledigen. Wenn Mama dann nach Hause kam, musste plötzlich alles so ordentlich sein.
    Dieses Mal war sie an Land, um einen Bericht zu schreiben, der anscheinend ziemlich eilig war. Sicher ging es wieder um irgendein Dokument, das die geplanten Sprengungen des Meeresgrunds vor Krabbsjögrund stoppen sollte. Doktor Ekwall und die anderen in der Kommunalverwaltung wollten die Fahrrinne für den Schiffsverkehr ausbauen. Mama und ihr Forschungstrupp waren überzeugt davon, dass dieses Projekt die Umwelt vor der Küste aus demGleichgewicht bringen würde. Den ganzen Winter über hatte sie untersucht und gemessen. Aber wenn sie die Ergebnisse nicht bald den Behörden übergab, würden schon in wenigen Wochen die ersten Sprengungen beginnen.
    Dass Mama unter Stress stand, war verständlich, aber Karl fand trotzdem, dass diese anhaltende Übellaunigkeit ihr gar nicht ähnlich sah. Vielleicht hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie Karl bei seinem Großvater lassen musste? Oder hing es doch mit diesem Brief aus Neuseeland zusammen   …?
     
    Später am Abend kam Großvater noch mal auf die Fabrikantenvilla zu sprechen.
    »Soso, du hast also auch vom Verkauf der alten Villa gehört?«, sagte er, als wären statt einiger Stunden erst ein paar Sekunden vergangen.
    Karl hatte die ganze Sache schon fast vergessen, aber jetzt legte Großvater seinen Schraubenzieher auf den Couchtisch und klappte sorgfältig seine Lesebrille zusammen.
    Mama blickte von ihrem Computer auf.
    »Auch?«, fragte Karl etwas enttäuscht. Er hatte geglaubt, er wäre der Einzige, der davon schon wusste.
    »Ja, ich habe Ture Öberg heute Morgen untenan der Brücke getroffen und er hat es noch nie in seinem ganzen Leben geschafft, über irgendetwas Stillschweigen zu bewahren.«
    »Welcher Idiot kauft denn Pilkins’ alte Bruchbude?«, fragte Mama. »Die steht doch schon seit über fünfzig Jahren leer!«
    »Es ist ein schönes altes Haus«, sagte Großvater. »Und wenn jemand einzieht, hören die Leute vielleicht endlich damit auf, jede Menge Spukgeschichten darüber zu verbreiten.«
    »Aber wer hat es denn gekauft?«, fragte Karl.
    »Das ist ja gerade der Witz«, sagte Großvater. »Ture wollte mich eigentlich nur fragen, ob ich dabei helfen könnte, den ganzen Kram da drinnen aufzuräumen.«
    Dann berichtete er, dass der neue Besitzer das Haus mitsamt dem kompletten Hausrat gekauft hatte und dass dieser Jemand gut dafür bezahlen wollte, wenn das ganze Durcheinander in Ordnung gebracht wurde. Er lachte.
    »Natürlich konnte Ture seine Klappe nicht halten. Es ist nämlich nicht irgendjemand, der da tief in die Tasche greift. Oh nein, wahrlich nicht.«
    Großvater setzte seine Brille wieder auf, nahm einen Stift und sein Kreuzworträtselheft und tat sehr beschäftigt.
    »Wer ist es denn?«, riefen Karl und seine Mutter wie aus einem Mund.
    Erstaunt hob Großvater den Blick über den Brillenrand.
    »Aber das darf ich doch nicht sagen,
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