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Die verborgene Grotte

Die verborgene Grotte

Titel: Die verborgene Grotte
Autoren: dtv
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wattierten Stoff.Ein wohliger Schauer überlief ihn. Was für einen grandiosen Auftritt er hinlegen würde   – aus einem Sarg! Ein Rock-Gott, von den Toten auferstanden.
    ›Es geht los‹, flüsterte Miriam Matin durch den Spalt.
    Offenbar stand der Sarg jetzt richtig, denn das Drehen hörte auf. Für einen Augenblick herrschte Stille, dann wurde ein jaulendes Motorengeräusch laut.
    Lonnie wurde ungeduldig. Was hatte Miriam vor? Hatte sie ihn vergessen? Er hatte wirklich schon viel zu viel Zeit in diesem Kasten verplempert. Das Publikum fragte sich sicher schon, wo er abgeblieben war. Aber dann hörte er durch den Motorenlärm hindurch ein leises Klopfen. Das Zeichen.
    Endlich konnte Lonnie tun, worauf er sein Leben lang gewartet hatte. Als echter Rockstar auftreten! Im Dunkeln richtete er sein Toupet und holte tief Luft.
    Miriam Matin hatte gerade die Motorsäge hoch über den Kopf gehoben, um in einer modernen Version der ›zersägten Dame‹ den Sarg zu teilen. Um die Spannung zu steigern und sicherzugehen, dass Lonnie es wirklich rechtzeitig in das Geheimversteck schaffte, zögerte sie nocheine Sekunde länger. Dann ließ sie die Säge auf den Sarg krachen.
    Genau in diesem Moment machte Lonnie einen Schritt nach vorne und schlug mit einer dramatischen Geste den Sargdeckel auf.
    ›One, two   …‹
    Weiter kam er nicht. Das kreischende Sägeblatt war nicht zu stoppen.
    So erhielt Miriam Matin ihren Beinamen   – Madame Tod.
    Lonnie Lane dagegen bekam auf diese Art und Weise gewissermaßen das, was er sich immer gewünscht hatte: Niemand, der seinen Auftritt an diesem Abend gesehen hatte, sollte ihn je wieder vergessen.«

K apitel 2

    Am nächsten Tag besuchte Karl seine Freundin Sara im Lager ihres Großvaters Schrott-Jansson. Wie gewöhnlich war sie gerade dabei, einen alten, kaputten Bootsmotor auseinanderzuschrauben.
    »Weißt du, wer angeblich nach Krabbsjögrund zieht?«, fragte Karl geheimnisvoll.
    Sara schüttelte den Kopf.
    »Miriam Matin! Madame Tod!«
    Sara lachte.
    »Ach die. Alte Neuigkeiten.«
    Typisch. Wenn Karl einmal dachte, er hätte richtig guten Tratsch zu bieten, schienen Hinz und Kunz schon lange Bescheid zu wissen.
    »Ich habe Großvater versprochen, ihm am Wochenende dabei zu helfen, die Fabrikantenvilla aufzuräumen. Machst du mit? Großvater hat gesagt, dass wir sogar bezahlt werden. Morgen geht’s los.«
    »Ich kann nicht«, sagte Sara enttäuscht. »Ichmuss weg. Zwei Tage zu den Cousinen aus der Hölle. In die Hölle.«
    Sie seufzte resigniert. Eine Weile blieb es still. Karl schätzte es sehr, dass man mit Sara schweigen konnte, ohne dass es peinlich wurde.
    »Ist deine Mutter im Moment eigentlich zu Hause?«, fragte Sara ihn schließlich.
    Karl nickte.
    »Aber sie ist die ganze Zeit furchtbar gereizt. Schon bei der kleinsten Kleinigkeit geht sie in die Luft.«
    Er verstummte und betrachtete seine dreckigen Schuhe.
    »Da spricht sie dann auf einmal von meinem Vater   … Immer wenn sie meint, dass ich Blödsinn gemacht habe, bin ich plötzlich genau wie er.«
    Karl verzog das Gesicht.
    »Sie ist immer noch wütend auf ihn, ganz gleich, wo er jetzt stecken mag   …«
    Sara sah ihn fragend an.
    »Ich dachte, dein Vater wäre bei einem Autounfall gestorben, als du noch ganz klein warst?«
    Karl seufzte.
    »Das erzähle ich immer. Das macht es irgendwie leichter.«
    Sara legte ihr Werkzeug beiseite und wischte sich die öligen Hände an der Hose ab.
    »Aber was weißt du denn von ihm? Ich meine, du musst nicht darüber reden, wenn du nicht willst   …«
    Karl zuckte mit den Schultern.
    »Ist schon okay. Ich weiß fast gar nichts. Nur, dass er Franzose ist. Taucher, glaube ich. Er war nur einen Sommer hier oder so.«
    So viel hatte Karl noch niemandem über seinen Vater erzählt. Aber er dachte trotzdem an ihn. Oft.
    Zum Beispiel an den Tagen, an denen Briefe eines Unbekannten mit handgeschriebener Anschrift in der Post waren. Erst vor ein paar Tagen war wieder einer gekommen. Mit einer neuseeländischen Briefmarke, an Mama adressiert. Immer wenn Karl einen dieser Briefe sah, dachte er, dass sie ganz vielleicht von seinem Papa waren.
    Am selben Abend hatte er gehört, wie Mama und Großvater leise über den Brief sprachen, als sie dachten, dass er schon schlief. Wenn er es richtig verstanden hatte, wollte Mama den Brief nicht einmal aufmachen. Sie hatte wütend und traurig geklungen und Großvater hatte versucht, sie zu beruhigen. Was danach aus dem Brief geworden war,
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