Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Titel: Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)
Autoren: Steffanie Burow
Vom Netzwerk:
der Mann entdeckt hatte, als er seinen Büronachbarn Liu Zhenguo in den Lichtkegel treten sah. Seine Glatze reflektierte das Licht. Wie der Heiligenschein auf christlichen Bildern, dachte Yandao amüsiert.
    Er hielt nicht an. Liu Zhenguo würde ihm sicher bald folgen und alles berichten. Aber warum war Zhenguo eigentlich hier? Er hatte keine Bereitschaft, und Yandao selbst hatte ihn nicht angerufen. Li Yandao wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu. Irgendwer musste seinen Kollegen geweckt haben, und eigentlich war er froh darüber. Zhenguos Unterstützung würde helfen, die wichtigen ersten Stunden zu nutzen.
    Die Scheinwerfer seines Autos erfassten zwei Männer, die sich in einem Ladeneingang herumdrückten. Der kleinere der beiden Männer wurde von seinem Begleiter um mindestens einen Kopf überragt. Li Yandao überlegte flüchtig, ob der eine außergewöhnlich klein und dürr oder der andere außergewöhnlich groß und kräftig sei, dann war er vorbeigefahren, und die Männer versanken in der mondlosen Dunkelheit wie ein Spuk.
    * * *
    Das Klingeln des Telefons riss Marion aus einem Traum, in dem es die ganze Zeit geregnet hatte. Die Wüste beginnt sich in mein Unterbewusstsein zu bohren, dachte sie und fischte schlaftrunken nach dem Hörer. Der Schmerz in ihrem Rücken brachte sie in die Wirklichkeit zurück: Sie hatte eine Leiche entdeckt und stand inoffiziell unter Hausarrest. Marion hatte sich schon häufig in brenzligen Situationen befunden, aber dies ging entschieden zu weit. Sie ärgerte sich über ihre verfluchte Neugierde, die sie zu dieser Röhre hatte kriechen lassen.
    Am anderen Ende der Leitung war der freundliche Polizist.
    »Guten Morgen, Fräulein Ma Li Huo. Wie fühlen Sie sich?«
    »Marion.«
    »Beg your pardon?«
    Sein Englisch war geschliffen. Marion fragte sich, wo er es gelernt hatte.
    »Marion. Mein Name ist Marion.«
    »Das sagte ich doch. Was halten Sie davon, wenn wir unser Gespräch beim Mittagessen in dem Café unten im Hof fortsetzen?«
    Marion drehte den Wecker zu sich: halb zwei. Die Schlaftabletten hatten gewirkt. Sie hatte keine Lust, ihr Zimmer, ihre Höhle, ihre Schutzburg zu verlassen und sich den Widrigkeiten der Realität zu stellen. Andererseits war sie hungrig.
    »Ich komme in ein paar Minuten runter.« Sie legte auf, ohne die Antwort des Kommissars abzuwarten.

    Er winkte ihr zu, als sie den Garten des Cafés betrat. Es war ein klarer Herbsttag, und kleine Sonnensprenkel tanzten über fleckige Tischdecken und brüchige Steinplatten. Dichtes Weinlaub rankte sich über den Garten wie ein Dach. Trotz der Kühle im Schatten hatte der Kommissar einen Tisch draußen gewählt. Marion war es recht, auch sie zog den behaglichen Garten dem nüchternen Innenraum vor, der ohnehin nicht beheizt werden konnte. Sie gewöhnte sich langsam daran, wie die Einheimischen trotz der Herbstkälte den größten Teil des Tages im Freien zu verbringen. Schließlich gab es dicke Socken, warme Jacken und ihre Mütze. Sie wollte etwas über das Alltagsleben in China erfahren, und Heizungen gehörten definitiv nicht dazu. Heizungen waren ein Luxus für hohe Parteikader und verwöhnte Europäer in Fünf-Sterne-Hotels.
    Marion setzte sich auf den Plastikstuhl dem Kommissar gegenüber, streckte die Beine unter dem Tisch aus und betrachtete den Mann forschend. Er wirkte zerknittert und hatte gerötete Augen. Wahrscheinlich hatte er überhaupt nicht geschlafen. Nachdem sie ihr Essen bestellt hatte, hielt sie die Ungewissheit nicht länger aus.
    »Haben Sie mich im Verdacht? Gehen Sie davon aus, dass ich den Mann umgebracht habe?«
    Der Kommissar machte ein Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen.
    »Ich konnte es anfangs nicht ausschließen«, antwortete er. »Als Sie in die Grube gestürzt sind, war niemand auf der Straße. Und trotz des Lärms, den Sie angeblich verursacht haben, behaupten die Bewohner aus den umliegenden Häusern, dass sie nichts gehört hätten.«
    »Weil die Leute in Kashgar mit den Hühnern ins Bett gehen.«
    » Hühner? Ins Bett? «
    Marion winkte ab. »Nicht so wichtig. Also, verdächtigen Sie mich?«
    »Der Mann war schon seit mindestens fünfzehn Stunden tot, und möglicherweise lag er die ganze Zeit in der Röhre. Er wurde nicht früher entdeckt, da gestern in diesem Abschnitt nicht gearbeitet wurde. Es gibt keine Anzeichen eines Kampfes. Außer den Trümmern der Grillbude natürlich«, fügte er mit einem schiefen Lächeln hinzu.
    Marion ignorierte die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher