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Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Titel: Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)
Autoren: Steffanie Burow
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es ihrer Auffassung nach von finsteren Gestalten nur so wimmelte. Thomas wiederum würde sie um dieses Abenteuer beneiden. Entschlossen wandte sie sich nach rechts und folgte der breiten Straße in Richtung des modernen Stadtzentrums.
    Die Bürgersteige der Renmin Xilu, der Westlichen Straße des Volkes, waren gedrängt voll mit Menschen. Westlich-schick gekleidete Chinesinnen strömten in die Boutiquen, in denen es die neueste, trendige Mode aus Beijing und Schanghai zu kaufen gab, doch trotz ihrer modischen Bemühungen wirkten sie neben den paillettenglitzernden Uighurinnen fade. Marion mochte deren farbenfrohe Kleider, ihre bestickten Strickjacken. Auch die kokette Art, mit der die muslimischen Uighurinnen ihre von Silberfäden durchzogenen Kopftücher trugen, gefiel ihr ausgesprochen gut. Unverständlich war ihr hingegen, warum die Frauen dazu fleischfarbene lange Unterhosen kombinierten, über die sie auch noch Feinstrumpfhosen zogen.
    Die chinesischen und die uighurischen Männer waren sich zumindest bei der Farbwahl ihrer Kleidung einig: braun, schwarz, dunkelblau, grau. Trostloser ging es nicht.

    Die Einwohner Xinjiangs unterschieden sich nicht nur in der Kleidung: Marion war schon am Tag nach ihrer Landung in Urumqi aufgefallen, wie unterschiedlich die Menschen aussahen. Die flächigen Gesichter und mandelförmigen Augen der Chinesen waren nicht zu verwechseln mit den eher türkisch wirkenden Uighuren, die häufig große, schwerlidrige Augen und dichte Brauen besaßen. Auch die widerspenstigen, rabenschwarzen Haare der Chinesen fanden sich bei den Zentralasiaten kaum; ihre Haare wiesen von hellbraun bis schwarz alle Schattierungen auf, waren fein, glatt oder sogar lockig.
    Gegenüber eines Einkaufszentrums erspähte Marion die chinesischen Zeichen für »Internet« und kletterte über den Zaun, der die Fußgänger vom Überqueren der Straße abhalten sollte. Ihre Polizeiakte konnte gut noch einen Eintrag vertragen.
    In ihrem E-Mail-Account waren mehrere neue Nachrichten eingegangen. Ihre beste Freundin Susanne gratulierte ihr zum Singledasein, und Marions Eltern berichteten über Nieselregen und die neuesten Krankheiten des Hundes. Marion übersprang einige Mails von anderen Weltenbummlern und öffnete die letzte Nachricht von Thomas. Es ging ihm gut, die Sonne schien, das Wasser war warm. Liebe Grüße, Thomas.
    Sie scrollte den Bildschirm hinunter, um zu sehen, ob er einen Anhang angefügt hatte. Nichts. Liebe Grüße, Thomas. Die nüchternen Schlussworte einer langen, glücklichen Beziehung. Einer Beziehung, die sie beendet hatte, nicht er, aber sie hatte trotzdem gehofft, dass er ihr ein wenig mehr nachtrauern würde. Die Augen auf den Bildschirm geheftet, dachte sie über die letzten Wochen nach.

    Nachdem die ersten Monate ihrer Reise harmonisch verlaufen waren, hatten Thomas und sie sich im Laufe der Zeit immer häufiger wegen Kleinigkeiten in den Haaren gelegen. Am schlimmsten empfand Marion es, dass er grundsätzlich das Kommando übernahm und so tat, als würde sie unter die Räder kommen, wenn er nicht auf sie aufpasste – eine Unart, die er sich schon in Deutschland angewöhnt hatte. Zum Eklat war es auf Ko Lanta gekommen, einer idyllischen Insel vor der Westküste Thailands. Marion hatte sich nach zwei Wochen Nichtstun gelangweilt und darauf gedrängt, weiterzureisen, aber Thomas hatte ihren Wunsch einfach ignoriert. Er war in seinem Element und unterhielt die versammelten Rucksackreisenden mit haarsträubenden Geschichten über Beinahe-Busunfälle und Trekkingabenteuer im Himalaya. Schließlich war Marion der Kragen geplatzt. Sie hatte nicht ewig für die Reise ihres Lebens gespart, um dann wochenlang an einem thailändischen Strand die immer gleichen Gespräche mit anderen Weltenbummlern zu führen.
    Marion schämte sich immer noch ein bisschen für die Gemeinheiten, die sie Thomas am Abend ihrer Trennung während eines hitzigen Streits an den Kopf geworfen hatte – auch wenn sie nicht gemeiner gewesen waren als Thomas’ bissige Bemerkungen. Am Ende war er wutentbrannt von der Veranda ihrer Hütte gestürmt und erst am nächsten Morgen wieder aufgetaucht. Sie waren beide zerknirscht gewesen und hatten sich entschuldigt, aber im Laufe der Nacht hatte Marion eingesehen, dass der Versuch, ihre Beziehung mit dieser Reise zu retten, gescheitert war. Sie beschloss, ihre Sachen zu packen, nach China zu fliegen und sich weit weg von den üblichen Routen zu bewegen, wo sich die Reisenden trafen
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