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Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Titel: Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)
Autoren: Steffanie Burow
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Anspielung. »Wie ist der Tote in das Rohr geraten?«, fragte sie.
    »Meine Leute haben auf dem Bagger Blutspuren sichergestellt. Ich vermute, dass der Mann vor seinem Angreifer geflohen ist und sich in der Röhre versteckt hat. Dort ist er dann an seiner Stichwunde verblutet. Ich warte noch auf das Ergebnis der pathologischen Untersuchung.«
    »Der arme Mann«, sagte sie ernst. »Er wirkte noch sehr jung.«
    »Er war höchstens Ende zwanzig.«
    »Haben Sie schon eine Ahnung, warum er erstochen worden ist?«
    »Wenn ich das wüsste, wäre ich einen großen Schritt weiter«, sagte Kommissar Li. »Aber ich habe bisher keinerlei Anhaltspunkte. Es wird nicht einfach werden, den Mörder aufzuspüren.«
    »Ich weiß nichts von Polizeiarbeit, aber ich nehme an, dass kein Fall einfach zu lösen ist.«
    »Vielen Dank für die Aufmunterung.«
    »Da ich nicht die Mörderin bin, kann ich Ihnen aufrichtig Jagdglück wünschen.«
    »Bevor ich Sie endgültig von unserer Verdächtigenliste streichen kann, brauche ich noch die Adresse des Hotels, in dem Sie vorletzte Nacht geschlafen haben. Sie sagten doch, dass Sie erst gestern in Kashgar angekommen sind.«
    Marion wand sich unter seinem erwartungsvollen Blick.
    »Ich … ich …«, stammelte sie und wurde rot.
    »Beg your pardon?«
    Sie holte tief Luft. »Ich war in keinem Hotel mit Ausländerlizenz.« Sie hätte sich denken können, dass der Ärger vorprogrammiert war, als sie sich über die eiserne Regel hinwegsetzte: Als Touristin musste sie in den dafür vorgesehenen Hotels übernachten, deren Personal wiederum dafür verantwortlich war, sie bei der Polizei zu registrieren. Immer und überall. Niemand konnte sich der Überwachung in China entziehen. Jedenfalls nicht lange. »Ich war in den Bergen, am Karakul-See, und habe bei Kirgisen in einer Jurte gewohnt. Die Leute werden sich an mich erinnern.« Marion stocherte in ihrem Essen herum. »Werden Sie ihnen Schwierigkeiten machen?«, fragte sie kleinlaut. Und mir ebenfalls?, fügte sie im Stillen hinzu.
    »Sie haben illegal in einem zugigen Zelt übernachtet? Warum?«, fragte Li Yandao verständnislos. »Es gibt doch dort oben ein bequemes Hotel.«
    »Ein wunderbares Hotel mit wunderbaren Preisen und wunderbar muffeligem Personal«, entgegnete sie heftig. »Und wer kassiert? Selbstverständlich nicht die Kirgisen, die schon dort gesiedelt haben, als Mao noch am Daumen gelutscht hat.« Sie unterbrach sich bestürzt. Ihre große Klappe war wieder einmal mit ihr durchgegangen.
    »Seien Sie ruhig. Was immer Sie über China denken: Behalten Sie es für sich.«
    Marion sah den Kommissar verunsichert an. Als sie in seinem Gesicht nur Besorgnis, aber keine Feindseligkeit entdeckte, lehnte sie sich in ihren Stuhl zurück.
    »Ich liebe China, aber …«
    Er schnitt ihr das Wort ab. »Ich sagte, ich will Ihre Meinung nicht hören. Sie können sich eine Menge Ärger einhandeln. Vergessen wir es einfach. Erzählen Sie mir lieber noch einmal genau, was in der Baugrube passiert ist. Jedes Detail kann mir weiterhelfen.«
    * * *
    Nachdem sich Li Yandao verabschiedet hatte, ging Marion in ihr Zimmer zurück. Sie legte sich angezogen aufs Bett und blinzelte zur Deckenlampe, in deren Schirm Dutzende von Fliegenleichen lagen. Das Gespräch mit dem Kommissar hatte sie beunruhigt. Sollten die Kirgisen abstreiten, dass sie bei ihnen gewesen war, hatte sie kein Alibi.
    Bald hielt sie es in dem deprimierenden Zimmer nicht mehr aus. Sie stülpte sich ihre Mütze über die fettigen Haare, nahm ihre Jacke und verließ das Hotel. Während sie noch überlegte, was sie unternehmen wollte, schlenderten drei pakistanische Händler an ihr vorbei. Einer der Männer schnalzte mit der Zunge, und alle drei grinsten anzüglich. Marion maß sie mit einem verächtlichen, für solche Gelegenheiten vor dem Spiegel eingeübten Blick. Sie hatte keine Angst vor den Pakistanis, aber diese Situation führte ihr wieder einmal vor Augen, dass sie als alleinreisende Frau einen zweifelhaften Status hatte. Als sie noch mit Thomas unterwegs gewesen war, hatte niemand sie respektlos behandelt.
    Der Gedanke an Thomas brachte sie auf die Idee, ihm eine E-Mail zu schreiben. Es würde ihr helfen, die vergangene Nacht zu verarbeiten, auch wenn sie ihm gegenüber nur ungern zugab, dass sie in Schwierigkeiten steckte. Sie sollte ohnehin jemanden informieren, und ihre Eltern kamen nicht in Frage. Sie machten sich schon genug Sorgen um ihre Tochter, die in Ländern unterwegs war, in denen
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