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Die unterirdische Sonne

Die unterirdische Sonne

Titel: Die unterirdische Sonne
Autoren: Friedrich Ani
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mit dem Finger über das Display. »Anscheinend muss man den Zug nehmen, da gibt’s keine Straße zum Festland.«
    Ein Auto kam ihnen entgegen. Sophia drosselte unmerklich die Geschwindigkeit.
    Sie erreichten ein Dorf, auf dessen gelbem Ortsschild »Arnum« stand. Hinter den Fenstern der meisten Häuser brannte kein Licht. Kein Mensch war unterwegs. Sie verließen das Dorf, und die Straße, gesäumt von Schilf und Gebüsch, tauchte wieder ins Dunkel. Blaue Reflektoren blinkten an den Begrenzungspfeilern am Straßenrand.
    »Es gibt einen Zug für Autos.« Vorsichtig neigte Leon den Oberkörper nach vorn. »Den nehmen wir.«
    »Das geht nicht«, sagte Sophia. »Der kostet was und wir haben kein Geld.«
    »Dann gehen wir einfach zur Polizei«, sagte Leon.
    Auf beiden Seiten der Straße ragten schwarze Bäume in den Himmel. Der Wagen fuhr beinahe lautlos. Im Rückspiegel begegneten sich Sophias und Leons Blicke, und als Conrad sich wieder nach hinten umdrehte, senkte Leon den Kopf.
    Sophia schaltete in den dritten Gang, bremste ab und bog in einen Weg ein, an dem ein Schild zu einem Campingplatz wies. Sie schaltete den Motor aus und wartete ab.
    Im Wagen war es warm, aber niemand zog seine Jacke aus oder öffnete auch nur die Knöpfe.
    Das Schweigen störte sie nicht.
    Dann sagte Eike: »Ich geh nicht zu den Bullen. Die glauben mir eh nicht. Niemand wird mir was glauben.«
    Sophia sah niemanden an. »Wir könnten unsere Eltern anrufen.«
    Wieder schwiegen sie lange. »Bin ich blöde, oder was?« Eikes Stimme schien von viel weiter weg zu kommen. Sie klang hohl und ungewohnt.
    »Ich will nicht ins Fernsehen«, sagte Conrad. »In so eine Jauche von Talkshow, wo immer so Opfer vorgeführt werden.«
    »Wir haben zwei Menschen umgebracht«, sagte Sophia.
    Conrad verschränkte die Arme vor der Brust. »Das wissen wir nicht, vielleicht nur einen.«
    »Hoffentlich nicht«, sagte Leon. »Die Frau muss tot sein.«
    »Sind wir Mörder?« Sophia sah zum Seitenfenster hinaus.
    Sie erhielt keine Antwort. Zwei Autos fuhren auf der Hauptstraße vorbei. Als Sophia keine Reaktion mehr erwartete, wandte sie sich an Conrad. »Sieh im Handschuhfach nach, ob da Streichhölzer sind, oder ein Feuerzeug.«
    »Was willst du damit?«
    »Schau nach.«
    Er klappte das Fach auf. Ein Licht blinkte und beleuchtete eine Pistole. Conrad nahm sie heraus und roch an ihr. Das hatte er in einem Film gesehen.
    »Ist die geladen?«, fragte Leon.
    Eike konnte nicht sehen, was Conrad in der Hand hielt. Er beugte sich zu Leon und Maren vor. »Eine Knarre«, sagte Leon.
    »Zeig mal her.« Eike streckte den Arm aus. Conrad drehte die Waffe ein paar Mal neugierig in den Händen und legte sie dann auf Eikes flache Hand. Eike lehnte sich sofort zurück und spielte am Griff herum.
    Im Handschuhfach lagen zwei Schachteln Zigaretten, zwei Feuerzeuge, eine Packung Streichhölzer und ein schwarzer, rechteckiger, prall gefüllter Geldbeutel. Conrad zog den Reißverschluss auf und zeigte Sophia den Inhalt. Leon und Maren sahen zu, wie er die Fünfziger- und Hunderter-Scheine zählte. »Eintausenddreihundertachtzig Euro«, sagte Conrad.
    »Das reicht für einen guten Kaugummi«, sagte Leon.
    Maren gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf, der ihm wie die Berührung eines Engels vorkam. Er drehte den Kopf zu ihr und küsste sie auf den Mund. Dann nickte er ein paar Mal wie zur Bestätigung und griff wieder nach ihrer Hand. Sie zog sie nicht weg.
    »Wir kehren um.« Sophia drehte den Zündschlüssel.
    »Was?«, sagten Conrad und Leon gleichzeitig.
    Eike ließ die Pistole in den Schoß sinken und rief: »Was ist?«
    Der Turbo-Diesel-Motor heulte auf. Sophia gab Gas, wendete, indem sie zwei Mal zurücksetzte, und jagte den Wagen zurück zum Dorf, aus dem sie geflohen waren.
    »Bist du verrückt?«, rief Conrad. »Kehr sofort um.«
    »Lass den Scheiß, dumme Kuh!«, brüllte Eike.
    Maren streckte verängstigt den Kopf vor. »A-aber d-der M-Mörder ist d-da im H-Haus.«
    »Egal, Schwester Regal.« Sophia schaltete in den sechsten Gang. »Engen muss brennen«, sagte sie ohne besonderen Ausdruck in der Stimme. »Engen muss brennen.«

25
    Sie taten es.
    Während der Fahrt sprachen sie kein Wort.
    Als sie das Dorf erreichten, verstaute Eike die Pistole in seiner Jackentasche und kippte den Inhalt der Kisten neben sich auf den Boden.
    Sophia lenkte den Wagen einen Hang hinauf, von wo aus sie in der Ferne einen Leuchtturm sahen. Die meisten Häuser ähnelten einander und waren mit Reet
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