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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide
Autoren: Ralf Isau
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in der Felsenkammer. Wenn wir Klopfzeichen geben, werden wir vielleicht gehört. Und wenn nicht…« Francisco wagte nicht, den Gedanken auszusprechen.
    »Dann gehen wir zu der Einsturzstelle zurück und fangen an zu graben. Nur keine Sorge, Francisco: Hobnaj macht das schon.«
     
     
    Als Doktor Wafaa el Saddik das Klopfen hörte, traute sie ihren Ohren nicht. Sie war eine gestandene Wissenschaftlerin, die von Spukgeschichten über umherwandelnde Mumien nicht viel hielt. Außerdem befand sich seit Mitternacht ein Bergungsteam in dem Labyrinth unter der Sphinx und suchte nach den Verschütteten. Es gab also gute Gründe, warum die Geräusche eher nicht von einem Geist stammten.
    Rasch wurde Doktor Paki Helwan benachrichtigt und er gab den Befehl, die völlig glatt erscheinende Stelle der Felsenkammer zu öffnen. Nichts wies auf einen weiteren Gang hin, aber irgendwoher musste das Klopfen ja schließlich kommen. Mit schweren Hämmern und Meißeln drang man durch den Stein. Bald wurden menschliche Stimmen hörbar und dann brach man endlich durch. Ein riesiges schwarzes, ziemlich staubiges Gesicht erschien in dem Loch. Es sagte etwas, das Doktor Saddik erschauern ließ.
    »Geht es Ihnen gut?«, fragte Helwan.
    »Ich habe nie daran geglaubt.«
    »Woran?«
    »An lebende Mumien.«
    »Und jetzt tun Sie es?«
    Sie deutete auf das große nubische Gesicht. »Er spricht Alt-ägyptisch!«
    »Hätten Sie etwas Wasser? Ich habe furchtbaren Durst«, erscholl eine zweite Stimme aus dem Loch.
    »Senor Serafin!«, rief Doktor Helwan erleichtert. »Wir dachten schon…«
    »Ich wäre tot? Wie kommen Sie darauf?«
    »Wir haben uns im Morgengrauen durch die eingestürzte Stelle gegraben und sind in die Kammer des Wissens vorgestoßen. Alles war verwüstet und… Dann machten wir den grausigen Fund.«
    Das nubische Gesicht zog sich zurück und Franciscos, kaum weniger staubig, erschien. »Sie haben in den Sarkophag geschaut?«
    Helwan nickte. »Und die Mumie gefunden.«
    »Was?«
    »Eine Dörrleiche, einen völlig dehydrierten menschlichen Körper, in dem nach ersten Erkenntnissen kein Knochen mehr heil ist. Sie trägt die Kleidung von Senor Alvarez, Ihrem Bruder.«
     
     
    Unendlich müde, aber glücklich trat Francisco ans Tageslicht. An diesem Morgen brannte die Sonne schon heiß über der Nekropole von Giseh. Hinter ihm verließ Hobnaj die Cheopspyramide und reckte sich.
    »In diesen Schacht kriegen mich keine hundert Pferde mehr…« Der Nubier verstummte, um sogleich hinzuzufügen: »Das ist also deine Welt, mein Junge. Sie unterscheidet sich gar nicht so sehr von der meinen. Ist das da drüben Memphis?«
    Mit der Hand die Augen beschirmend, blickte Francisco von seiner erhöhten Position zu dem Häusermeer hinüber und schmunzelte. »Memphis? Nein, dieser Ort besteht bei uns nur noch aus Ruinen. Was du da siehst, ist Kairo, die Hauptstadt von Ägypten.«
    »Und wer ist das Mädchen, das dir von da unten so heftig zuwinkt?«
    Francisco hielt den Atem an und seine Augen folgten dem deutenden Arm. Unterhalb der Cheopspyramide befand sich eine kleine Gruppe von Personen: zwei Polizisten und ein Mädchen mit brünettem Haar. Letztere löste sich jetzt von ihren Begleitern und rannte die Stufen empor, direkt auf ihn zu.
    Plötzlich fiel alle Erschöpfung von Francisco ab. So schnell ihn seine Beine trugen, lief er ihr entgegen. »Clara!«, schrie er, als habe er den Verstand verloren. Immer wieder: »Clara! Clara!«
    Auf halber Strecke fielen sie sich in die Arme, küssten sich, legten Wange an Wange und küssten sich abermals.
    »Ich dachte, ich hätte dich für immer verloren«, sagte Francisco mit bebender Stimme. Sein Mund war dicht neben ihrem Ohr.
    »Als du mir in der Nacht in Huelva von Vicente und dir erzähltest, fühlte ich mich verletzt. Ich mochte dich doch so sehr und irgendwie kam ich mir verraten vor. Aber dann hast du mir all die Briefe geschickt und ich sah, wie sehr du mich liebst. Da…« Ihre Stimme versagte.
    »Ja, ich liebe dich, Clara. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als dich ein Leben lang zu lieben.«
    »Ich liebe dich auch, Francisco. O was habe ich für Ängste ausgestanden, als ich von dem Mord an meinen Großeltern erfuhr. Ich dachte, mein Vater würde auch dich töten.«
    »Es wäre ihm fast gelungen.«
    »Ist er…?«
    Francisco nickte traurig und drückte Clara erneut an sich. »Er hat jetzt Ruhe.«
    Einen Moment lang hielten sich die beiden nur in den Armen.
    Dann hörte Francisco schwere
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