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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide
Autoren: Ralf Isau
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miteinander. Ihr seid die Zukunft von Baqat und von Anx. Und gebt mir auf Wira Acht. Sie ist mir immer eine treue Freundin gewesen.«
    Die Schemen in dem blauen Nebel waren kaum noch zu erkennen. »Trevir!«, rief Francisco, weil er fürchtete, sein trimundischer Bruder könnte ohne Abschied gegangen sein.
    Die Antwort kam zwar leise, aber prompt. »Hier sind wir, Francisco.«
    »Ich danke dir, Trevir. Du hast das Multiversum gerettet.«
    Ein befreites Lachen hallte wie durch einen langen Tunnel in die Kammer des Wissens. »Ich! Wir Hüter des Gleichgewichts haben es gemeinsam getan, wie mein Lehrmeister immer sagte: ›Nur wenn sie in der Not zusammenfinden und zusammen wirken, können sie ihre Aufgabe erfüllend Tragen wir diese Botschaft zu unseren Mitmenschen, Francisco und Topra. Wir dürfen uns nie von dem Gedanken beherrschen lassen, über ihnen zu stehen, aus welcher Welt auch immer sie stammen. Molog wollte unsere Unterschiedlichkeit austilgen, um sich alles zu unterwerfen, aber dadurch hätte er nur die Stärke, die aus der Vielfalt erwächst, durch eine äußerst zerbrechliche Schwäche ersetzt. Lasst uns die Unsichtbare Pyramide neu errichten, Brüder, damit sich unsere Völker bei der nächsten großen Welle in Frieden begegnen, ohne fürchten zu müssen, sich und ihre Einzigartigkeit dabei aufzugeben.«
    »Das wollen wir tun!«, bekräftigte Francisco, wenngleich ihm Zweifel kamen, ob sie diese Absicht nach der Trennung der drei Welten überhaupt verwirklichen konnten. Rasch übersetzte er den Vorsatz für seinen Bruder im schwindenden Anx. Noch einmal riefen sich die Drillinge ein Lebewohl zu. Dann verschwand die lichte Erscheinung.
    Auch Franciscos Strahlen hatte merklich abgenommen. Obwohl die Kammer nicht mehr bebte, rieselte immer noch hier und da Staub von der Decke. »Wir sollten schleunigst hier verschwinden, sonst werden wir am Ende doch noch lebendig begraben«, sagte er zu dem Nubier.
    Hobnaj ging in die Knie. »Steige auf meinen Rücken. Ich werde dich tragen.«
    Der Gedanke, sich wie ein kleines Kind vom großen Onkel herumschleppen zu lassen, war ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber andererseits fühlte sich Francisco viel zu schwach und zu müde, um das Angebot auszuschlagen. Gerade wollte er seine Arme um Hobnajs Hals legen, als von der Insel plötzlich eine gehässige Stimme erklang.
    »Wollt euch aus dem Staub machen und mich hier alleine zurücklassen, was? Denkt, alles wäre vorüber, wie? Glaubt, ihr hättet gewonnen und Vicente verloren.«
    Erschrocken fuhren die zwei zum Sarkophag herum, auf dem der Archäologe wie ein absurdes Standbild thronte. Er hielt den blauen Kristalldolch in der Hand. Mehr denn je war sein Gesicht eine Fratze des Wahnsinns. In seinen Augen funkelte ein bedrohliches Licht. Hobnaj zückte blitzschnell seinen Säbel und stellte sich schützend vor Francisco.
    Letzterer rief: »Gib auf, Vicente! Die sechste Welle ist so gut wie vorbei. Du kannst nicht mehr gewinnen.«
    »Du meinst, weil ich Ausschuss bin? Weil ich sowieso nichts zustande bringe? Das wollen wir doch mal sehen. Wenn du mir als Opfer für die Welteneinigung nicht zur Verfügung stehst, dann müssen wir eben mit der zweiten Besetzung auskommen. Ich bin der Phönix, der die Mächte des Multiversums beherrscht und aus der eigenen Asche wiederauferstehen wird!«
    Schreckensbleich sah Francisco, wie sich Vicente den blauen Dolch an die Brust setzte, und konnte gerade noch schreien: »Tu es nicht! Wir können alles…«
    Vicente stach zu. Sein Brustkorb ruckte nach vorn, die Augen wurden starr, blickten trotzdem noch einmal aus einem diabolisch grinsenden Gesicht zu den entsetzten Männern am Beckenrand. Doch zum Erstaunen Franciscos und Hobnajs fiel der Selbstmörder nicht etwa zu Boden. Stattdessen fing er an sich zu drehen. Es sah aus, als habe ein Wirbelsturm ihn gepackt, aber kein Lüftchen wehte durch die Kammer. Der Besinnungslose rotierte immer schneller und hob dabei von der Insel ab. Kurz darauf wurde auch die Sargplatte mit nach oben gerissen und beide kreisten unter der Decke. Sogar der Sarkophag begann sich schwerfällig zu drehen.
    Dann erstarb der unheimliche Todestanz ebenso überraschend, wie er begonnen hatte. Vicentes Körper stürzte geradewegs in den offenen Sarg und – Francisco wusste sofort, das würde ihm später niemand glauben – der Deckel fiel polternd auf den Sarkophag zurück.
    »Wer war das?«, keuchte Hobnaj.
    Francisco konnte den Blick nicht von dem Deckel lösen,
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