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Die unglaubliche Entdeckung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die unglaubliche Entdeckung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Entdeckung des Mr. Penumbra (German Edition)
Autoren: Robin Sloan
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auf der anderen Seite der Röhre, das ist meine. Das mit dem Nachtwächter kriege ich geregelt, kein Problem.«
    »Die Baustelle … auf der anderen Seite.«
    »Ja. West Oakland.«
    Corvina kichert. »Sie schlagen also einen kleinen Fußmarsch vor.«
    Auch Frankie lacht. »Warum nicht? Ein bisschen Bewegung kann nicht schaden, oder?«
    »Ist das ungefährlich?«
    »Klar. Die Jungs aus der Chefetage veranstalten nächsten Monat eine große Besichtigungstour – für die Öffentlichkeit. Kinder, Rentner, alle dürfen mit. Mitten durch die Röhre. So wie ich das sehe, bekommen Sie bloß eine kleine Vorzugsbehandlung.«
    »Nun, freut mich, dass Sie das so sehen. Ich nehme an, unsere Spende bürgt für Ihre Diskretion.«
    »Natürlich, Mark, natürlich.« Frankie stapft zur Tür, bleibt dann stehen. Penumbra hört, wie er sich umdreht. »Was suchen Sie da eigentlich? Golddublonen?«
    »Würde Sie das stören?«
    »Weiß nicht … vielleicht wäre ja ein kleiner Anteil für mich drin.«
    »Leider muss ich Sie enttäuschen, Franklin, aber es geht nur um Bücher.«
    »Ziemlich viel Geld, was Sie da für ein paar alte Bücher ausgeben. Aber wie ich sehe, haben Sie ja eine ziemliche Sammlung hier. Jedem das Seine, wie ich immer sage. Alles klar dann?«
    »West Oakland. Durch die Röhre. Was sage ich dem Nachtwächter?«
    »Er heißt Hector. Er erwartet Sie. Wir wär’s mit einem Passwort?«
    »Festina lente.«
    »Wie?«
    »Festina lente. Das ist das Passwort.« Gut möglich, dämmert es Penumbra, dass das nicht die erste illegale Expedition ist, die Corvina organisiert.
    »Fes-ti-na len-te. Okay. Wie Sie wollen.« Frankie stapft weiter Richtung Tür, und diesmal macht er sie auf. Die Glocke bimmelt hell. »Kommen Sie irgendwann nach Mitter nacht. Fes-ti-na len-te. Alles klar. Viel Glück da unten, Mark.«

DAS WRACK DER WILLIAM GRAY
    U nter dem gespenstischen Flimmern des Mondes, das durch die tief stehenden Wolken dringt, überqueren sie mit der letzten Fähre des Abends die Bucht. Das Schiff gleitet sanft unter der dunklen Masse der Bay Bridge hindurch, die strenger und ernsthafter aussieht als ihre touristenfreundlichere Verwandte.
    Die Fähre legt zwischen den Lagerhäusern in der Nähe des Hafens von Portland an. Sie haben Fahrräder dabei, die sie an der Ecke Turk und Leavenworth einem Mann abgekauft haben, der sich Russian Mike nannte. Corvina setzt sich auf das glänzend grüne Schwinn-Rad, Penumbra auf den blauen Beachcruiser mit dem Bananensitz. Sie radeln zu der Baustelle West Oakland, die nicht zu übersehen ist: glatte, hoch aufragende Betonpfeiler, die noch keine Last tragen; Stapel von rostroten Stahlmatten, die darauf warten, in Beton gegossen zu werden; mehrere schlummernde Bagger.
    Hector, der Nachtwächter, schlurft in der Dunkelheit gemächlich am Maschendrahtzaun entlang. Er sieht in seiner Uniform wie ein Polizist aus. Sie winken aus der Ferne, gehen vorsichtig auf ihn zu, sagen festina lente . Er macht ein knurrendes Geräusch, winkt sie durch und geht weiter am Zaun entlang, ohne sie auch nur einmal richtig anzuschauen.
    Die Transbay Tube reißt ihr Maul sperrangelweit auf. Die metallenen Lippen sind verdreckt. Die Röhre ähnelt weniger einem öffentlichen Bauprojekt als einem altertüm lichen Grab. Noch sind keine Gleise verlegt. Stattdessen führt ein breiter Weg, auf dem zwischen Unkrautbüscheln die Rei fenspuren von Lastwagen zu sehen sind, von der Baustelle in die Tiefe.
    Es ist stockdunkel. Sie sind darauf vorbereitet. Corvina hängt eine Campinglaterne an seinen Fahrradlenker. »Alles klar?«
    Penumbra atmet durch. »Glaube schon.«
    Die Röhre verschluckt sie. Corvina übernimmt das Kommando, fährt mit langen, sicheren Tritten voraus. In schneller Folge knackt und knirscht die Schaltung, bis er den effizientesten Gang gefunden hat. Penumbra schaut nach hinten und sieht durch die Öffnung der Röhre, wie das staubige Oval des Himmels von Oakland immer kleiner wird, bis er schließlich nichts mehr sieht außer den Farbflecken, die das schwindende Licht auf seiner Netzhaut produziert.
    Die Dunkelheit ist von einer Art und Qualität, die er noch nie zuvor erlebt hat. Der Boden der Röhre gleitet geschmeidig unter seinen Reifen hinweg. Es fühlt sich an, als würde er in einem Gebäude herumfahren, durch eine Basketballhalle oder durch das Foyer einer Bank. Alle paar Sekunden rollt er mit einem dumpfen Wamm über eine der Nähte der Röhre: die Stellen, wo die riesigen Metallsegmente
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