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Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Titel: Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler
Autoren: Gerd Scherm
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Aus den verborgenen Schriften
der Propheten von Byblos
     
    Aufgeschrieben ist dies für die Söhne der Söhne der Söhne. Wenn es denn in ferner Zukunft überhaupt noch Menschen gibt, die fähig sind zu lesen. Denen will ich künden von meiner Zeit, in der die Götter den Erdkreis betraten und missgünstig miteinander stritten.
    Von Ägypten mit seinen tausend Göttern und Dämonen bis zum Zweistromland, wo Ischtar aufstand, sie alle herauszufordern; dort, wo der Zweidrittelgott Gilgamesch die Halbgötter der anderen Völker überragte. Von den namenlosen Furchtbaren der Hethiter will ich ebenso schreiben wie vom eifersüchtigen Jahwe der umherstreifenden Hebräer, der keinen anderen Gott neben sich duldete.
    Und berichten will ich von meiner Heimat Byblos, wo Jahr für Jahr der Gott Mot den Gott Baal erschlägt, um dann gleichermaßen von dessen Gattin Astarte erschlagen zu werden.
    All dieses schreckliche Götterwerk aber ist auf dem Elend von uns Menschen gebaut. Auf unseren Jammerschreien errichten sie ihre himmlischen Throne.
    Kein Hoffen war uns Menschen geblieben angesichts der Grausamkeit der Götterwelt, die auch der Menschen Welt war in jener Zeit. Bevor in Ägypten die Pharaonen im Horizont der Sonne herrschten, während der Minotaurus in Knossos hauste und das Römische Imperium als ungedachte Idee in den Sümpfen des Tibers schlummerte, kümmerten sich die Götter noch bis ins kleinste Detail um den Alltag der Menschen. Doch wäre es nur ein fürsorgliches Kümmern gewesen! Eingemischt haben sie sich, und für alles wollten sie Opfergaben. Opfer! Opfer! Ob man einen kleinen Handel machen wollte oder ob der Hochzeitsbraten gelingen sollte, stets lechzten sie gierig nach ihrem Anteil wie ein Wucherer.
    Doch im Ägyptenland jenes Zeitalters gefiel es einem Gott, mit all dem zu brechen. Er erwählte einen Propheten und wirkte mit und durch ihn.
    Geheimnisvoll war sein Auftreten, so geheimnisvoll, dass er nicht einmal einen Namen trug, sondern schlicht »Gott ohne Namen«, GON, genannt wurde. Gepriesen sei sein verborgener Name!
    Manche sagen, er wirke auch heute noch, doch stets im Verborgenen, und nur wenige Auserwählte würden seiner ansichtig. Und auch wenn er gerade nicht unter uns weilt, so könnte er doch jederzeit wieder über uns kommen. Oder unter uns.
    Der Prophet aber jenes verborgenen Gottes hieß Seshmosis, was »der Sohn eines Schreibers« bedeutet, und der Verkünder war auch selbst ein Schreiber. An den Ufern des Nils erwählte GON seinen Propheten, auf dass er sein Volk hinwegführe aus dem Land des Pharaos, wo es große Unterdrückung und Verfolgung erleiden musste.
    Doch nicht nur böse Menschen verfolgten den Stamm des Propheten, die Tajarim; auch ägyptische Götter geißelten sie mit ihrer Eifersucht. Der krokodilköpfige Sobek und der widdergehörnte Amun und selbst der schlangengestaltige Dämon Apophis beargwöhnten das kleine Volk.
    Trotz aller Widrigkeiten gelang es dem Propheten mit Tricks und GONs Hilfe, die Seinen aus Ägypten in die Wüste und erfolgreich hinters gelobte Land der Väter zu führen. Ins gelobte Land selbst konnten sie nicht, weil dieses inzwischen von den Söhnen anderer Väter bewohnt wurde. So leiteten GON und Seshmosis die Tajarim einen Tagesmarsch weiter nach Norden ins freie Byblos, wo man sich im Schmelztiegel der Levante niederlassen konnte.
    Doch nicht vom Stamm der Tajarim will ich hier reden, sondern von GON, dem Gott ohne Namen.
    Schon die ältesten Aufzeichnungen sprechen von einer nicht fassbaren Wesenheit, die sich einer Beschreibbarkeit durch ständige Verwandlung entzieht. Er sei »gestaltlos wie der Wind oder materialisiere in mancherlei tierischer Gestalt«, heißt es in einem frühen Papyrus, und in einem uralten Lied finden wir die Zeilen: »Der nichts erschuf, aber ständig erschafft« und »Der winzig klein die Welt durchreist«.
    Die Schriften des ersten Propheten Seshmosis beschreiben GON als »groß an Macht, aber klein von Gestalt, doch diese dafür enorm wandelbar« und »dessen Macht reicht, so weit sein kurzsichtiges Auge blickt«. Alle Schriften sind sich einig, dass der Gott bei seinen Materialisationen kaum die Länge einer ägyptischen Elle erreichte. Auch sei der Wirkungsradius von GON äußerst beschränkt gewesen. Diese Beschränktheit stand wohl im Zusammenhang mit der altbekannten Tatsache, dass ein Gott nur so weit wirken kann, wie sein Auge reicht. Da der kleine Gott ohne Namen aber enorm kurzsichtig war, schränkte dies
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