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Die unglaubliche Entdeckung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die unglaubliche Entdeckung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Entdeckung des Mr. Penumbra (German Edition)
Autoren: Robin Sloan
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höhlenartigen Raum, der von vergitterten Glühbirnen erleuchtet wird, die in einer festlichen Kette an der zerklüfteten Steindecke hängen. Abgestützt wird der Raum von einem dunklen Trägergerüst, an einigen Stellen ragt eine Begrenzungsmauer aus Beton in die Höhe. Wasser sammelt sich in Pfützen, die zu groß sind, um darüber hinwegzuhüpfen, also gehen sie einfach mittendurch. Das Wasser läuft Penumbra in die Schuhe.
    Spuren von Leben und Arbeit: weggeworfene Handschuhe, Papierbecher, ein einzelner Schutzhelm. Auf dem weißen Plastikhelm ist vorn das blaue BART -Logo aufgedruckt. Penumbra hebt ihn auf, wischt den Dreck ab und setzt ihn auf. »Und, wie sehe ich aus?«
    Corvina schnaubt verächtlich. »Der magerste Sandhog der Stadt.«
    ***
    Vor über einhundert Jahren wurde die William Gray versenkt und unter einem Berg Schutt begraben. Abgesoffen und plattgemacht. Der Mast ist schon vor langer Zeit zerbrochen, die Segel und die Takelage sind verrottet. Erhalten ist nur der Rumpf, und auch der nur kläglich – wie eine zerdrückte Coladose in einem Müllhaufen.
    Dann kam der BART -Bautrupp und bohrte sich durch den Haufen. Penumbra hat in Stein konservierte Fossilien gesehen, große, gespaltene Platten, die den Schnitt eines urzeitlichen Viehs freigaben. Genauso sieht die William Gray jetzt aus. Ihre Form hebt sich dunkel, aber deutlich von der Tunnelwand ab. Hier, im zweiten Untergeschoss der Stadt, ist ein Schatten des Schiffes noch erhalten.
    Einmal mehr verwandelt sich der Augenblick des Triumphs schnell in Niedergeschlagenheit. Penumbra hatte sich ein Schiffswrack vorgestellt, wie er es in den Filmen von Jacques Cousteau gesehen hatte. Er hatte sich eine Art Hohlraum vorgestellt, in den sie eindringen, den sie erforschen könnten. Ein alberner Gedanke. Ihre Beute ist keine archäologische, sondern eine geologische. Sie ist ein Fossil durch und durch.
    »Hier«, ruft Corvina und reißt Penumbra aus seiner düsteren Träumerei. Der Verkäufer hat irgendwo auf der Baustelle zwei Schaufeln gefunden. Lässig wirft er eine Penumbra zu, der sie aber nicht zu fassen bekommt und fallen lässt.
    »Marcus, das ist kein …«
    »Ich sehe ein Schiff«, verkündet Corvina. »Ich sehe den ersten Buchladen dieser Stadt. Ganz sicher, Ajax, da ist was drin, was sich auszugraben lohnt.«
    »Du hast dieselbe Gabe wie ich, Marcus«, sagt Penumbra trocken.
    »Welche Gabe?«
    »Mr. Al-Asmari hat das so genannt. ›Die Bereitschaft, mit absurden Ideen zu liebäugeln.‹«
    Corvina schnaubt. »Ich liebäugele nicht mit Ideen«, sagt er. »Ich setze sie um.« Er stößt das Schaufelblatt in die Tunnelwand und beginnt zu graben.
    Eine Stunde vergeht. Vielleicht mehr. Sie graben tief in die Überreste des Schiffs hinein und häufen einen feuchten Berg aus Dreck, Schlamm und verrottetem Holz hinter sich auf. Penumbras Schaufel dringt durch eine verklumpte, weiche Masse, die, so seine Vermutung, traurigen Überreste von Büchern. Sie sind dunkel und durchweicht, verfault und verdorben, aber er kann Andeutungen von Buchrücken erkennen.
    Schwarze Schlammspritzer verschmieren und durchnässen sein Hemd und seine Hose. Je tiefer sie graben, desto übler riecht es – ein Jahrhundert aus schließlich freigelegter Fäulnis. Penumbras Arme brennen, seine Füße sind nass, und er sieht, dass sogar Corvina schon müde wird, als …
    KLONK .
    Seine Schaufel stößt auf etwas, was nicht weich und verrottet ist. Er zieht sie heraus und stößt noch einmal hinein.
    KLONK .
    »Marcus, ich glaube, das könnte …«. Einen Moment später steht Corvina schon neben ihm und rammt seine Schaufel in die Tunnelwand. Sie fahren an der Kante des harten Gegenstands entlang, schaufeln dann die Erde rundherum heraus, bis Corvina seine Schaufel als Hebel einsetzen kann. Er stößt ein scharfes Ächzen aus. Eine kleine Metalltruhe fällt aus dem Loch und mit einem feuchten RUMS auf den Tunnelboden. Kurz balanciert sie auf einer Kante und fällt dann um.
    Penumbra und Corvina schauen sich mit großen Augen an.
    Die Truhe ist voller Rost. Die Oberfläche ist mit rostigen Warzen und grünbraunen Striemen überwuchert, aber anscheinend unversehrt. Am Deckel der Truhe hängt ein riesiges, klobiges Vorhängeschloss.
    »Geh einen Schritt zurück«, sagt Corvina. Er hebt seine Schaufel in die Höhe und lässt sie niederfahren wie einen wütenden Blitz. Das dicke alte Schloss zerbricht nicht, es zerbröselt mit einem erleichterten Seufzer – so kommt es
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