Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Trasse von A'hi-nur

Die Trasse von A'hi-nur

Titel: Die Trasse von A'hi-nur
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
Vom Netzwerk:
die Redensart erlaubt sein – das Pulver hatten sie nicht erfunden. Mir dämmerte langsam, daß es nicht die Wanderlust allein war, die sie von Bauplatz zu Bauplatz um die halbe Welt trieb, sondern daß ihre Abneigung gegen jede übermäßige Qualifizierung dabei auch eine Rolle spielte.
    Die Materialübernahme von den Lufttransportern, die Tagebuchführung, die Funkverbindung mit der Zentrale – das alles nahm Inge mir ab, und sie war dadurch so etwas wie mein Stellvertreter geworden. Es war also unumgänglich, daß wir uns abends über den vergangenen und über den nächsten Tag unterhielten, es ließ sich auch nicht vermeiden, daß die Rede manchmal auf andere Dinge als auf die Arbeit kam, zumal wir ja in puncto Unterhaltung aufeinander angewiesen waren. So verabredeten wir uns denn auch eines Tages, am anderen Morgen vor Sonnenaufgang die Felswand zu besteigen – weniger wegen der Romantik, sondern weil es doch einmal geschehen mußte und weil es eine Abwechslung war und weil zu jeder anderen Tageszeit die Felsen eine solche Hitze ausstrahlten, daß man feuerfeste Schuhe gebraucht hätte.
    Wir machten uns kurz vor Sonnenaufgang auf den Weg, jeder mit einer starken Leuchte bewaffnet, drangen in die Felsengruppe ein – was nicht schwer war, da sie ja nur aus einzelnen Kuppen und Graten bestand, die in einiger Entfernung voneinander aus dem Sand ragten – und gingen an der Rückseite der Felswand entlang, die vielleicht 100 bis 150 m hoch war. Und dann erwies sich die Besteigung als noch viel einfacher, als wir vermutet hatten: Wir befanden uns plötzlich vor etwas, das jeder auf Anhieb als Pfad bezeichnet hätte, einem etwa meterbreiten Absatz im Gestein, der schräg aufwärts führte.
    Wir gingen ihn hinauf und waren ungefähr auf halber Höhe, als Inge, die hinter mir ging, plötzlich rief: »Warte mal!«
    Ich sah, wie sie zurückleuchtete zu einer kleinen Biegung, um die wir eben gegangen waren.
    »Kann mir doch keiner erzählen, daß das natürlich entstanden ist!« sagte sie. »Guck dir mal das Profil an!«
    Ich leuchtete nun auch, und dadurch wurde etwas Sonderbares noch sichtbarer: Der Felshang bildete von oben nach unten eine Kurve, die etwa 2 m oberhalb des Pfades abbrach und sich von der Kante des Pfades an nach unten wieder regelmäßig fortsetzte – es wirkte, als sei der Pfad von Menschen in den Felsen hineingeschlagen worden.
    »Na und?« sagte ich, obwohl ich auch verblüfft war. »Vielleicht haben hier früher Sklavenhändler einen Ausguck gehabt oder so etwas!«
    »Unsinn!« sagte Inge, während wir weitergingen. »Der Pfad ist doch für die Verhältnisse hier fast luxuriös. Wozu hätten sie sich die Arbeit machen sollen?«
    Mit Vermutungen kommt man ja in solchen Fällen nicht weiter, und wir schwiegen deshalb beide, bis wir oben waren. Dort erwartete uns die nächste Überraschung. Wir kamen auf ein vielleicht zehn Quadratmeter großes, völlig ebenes Plateau – das wirkte so frappierend, daß ich, so lächerlich es klingt, heimlich am Rande nach Löchern suchte, in denen ein Geländer gestanden haben könnte.
    Es war aber nichts weiter zu finden, und deshalb setzten wir uns beide hin und sahen uns den Sonnenaufgang an. Ich weiß nicht, ob es ein grandioses Naturschauspiel war. Wahrscheinlich war es das, aber ich habe nicht darauf geachtet, mir gingen die verrücktesten Gedanken im Kopf herum. Inge mußte es ähnlich ergehen, denn erst als ich merkte, daß es unerträglich heiß wurde, sah ich auf die Uhr und stellte fest, daß wir über eine Stunde so gesessen hatten.
    Wir stiegen wieder hinab. Bevor wir um die Felsecke bogen, die uns den Blick auf unser Lager versperrte, hielt ich Inge an.
    »Du, hör mal – ich denke, wir behalten das vorläufig für uns!«
    Inge sah mich prüfend an. Dann sagte sie: »Klar. Die Zwillinge interessieren sich sowieso nicht dafür, und die Zentrale erklärt uns für verrückt, wenn wir solche Vermutungen vorlegen!«
    Erst als wir schon weitergingen, stutzte ich. Solche Vermutungen? Was denn für welche? Wir hatten ja gar nicht darüber gesprochen! Natürlich, sie hatte sich sicherlich auch etwas zurechtgesponnen, als wir da oben saßen!
    Ich spürte plötzlich eine starke, aber – ganz ehrlich – freundschaftliche Zuneigung zu ihr, und die wurde noch tiefer, als sie plötzlich aussprach, was ich im gleichen Augenblick dachte: »Auf jeden Fall müssen wir uns die Sache noch mal genauer angucken!«
    Und da mir gerade so war, beschloß ich, sofort das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher