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Die Trasse von A'hi-nur

Die Trasse von A'hi-nur

Titel: Die Trasse von A'hi-nur
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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studiert hatte. Das Bassin würde dann auf einer Seite ganz aus Felsen bestehen, was einen großen Teil der Verfestigungsarbeiten ersparen würde.
    Aber so weit war es noch nicht. Wenn wir auch (ich glaube, alle) in unserer Phantasie den glitzernden Spiegel eines Sees sahen – zunächst mußten wir die Erkundungsergebnisse präzisieren und das Sprengschema ausarbeiten, und noch davor stand die Aufgabe, Arbeitsplan, Tageseinteilung, Versorgungsdienst und alle jene Kleinigkeiten festzulegen, die geregelt sein wollen, ehe man an die Arbeit geht.
    Da es inzwischen schon sehr heiß geworden war, verschoben wir auch die Besichtigung der Felswand auf später und gingen zur Beratung in unser Wohnzelt zurück.
    Ich hatte, glaube ich, schon gesagt, daß große Vorhaben immer etwas Abenteuerliches an sich haben – vorher oder nachher oder wenn man weit weg davon ist und in der Zeitung darüber liest. Wenn man aber gerade dabei ist, setzen sie sich mehr aus harter Arbeit, Strapazen, Ärger über Unzulänglichkeiten und aus anderen gewöhnlichen Bestandteilen zusammen. Die endlosen Messungen mit dem Echolot waren schon kein Zuckerlecken, wenn wir auch die heißesten Tagesstunden auswertend und kartografierend unter der blaßblauen Kuppel des Wohnzelts zubrachten, wo es immer angenehm frisch war. Aber als wir dann anfingen, die Sprengladungen zu versenken, hatte ich mehrmals den lebhaften Wunsch, meinen Onkel dabei zu haben, der sich als Sprachwissenschaftler mal mit der Frage beschäftigt hatte, in welchem Jahrhundert die Menschen voraussichtlich aufhören würden zu fluchen. Er hätte bei uns interessante, wenn auch nicht ermutigende Studien treiben können.
    Das hört sich nämlich so einfach an: Man nimmt ein Duritrohr (lichte Weite 20 cm, Länge 4 m, Gewicht 30 kp), setzt den Rüttelkopf auf, stellt es senkrecht, schaltet ein und läßt es langsam in den Sandboden hineinrutschen, fünf Meter die Stunde. Dann ein neues Rohr aufgeschraubt, und das Spielchen beginnt von neuem. Schließlich, wenn die vorgesehene Tiefe erreicht ist, den Exhauster anschließen, den Sand aus dem Rohr saugen, die Sprengladung einbringen, Rohr wieder herausziehen, fertig. So einfach – hört sich das an.
    Aber was macht man, wenn das Rohr plötzlich feststeckt und nicht mehr weiter sinken will – ganz gegen die Bedienungsvorschrift? Das kann mindestens dreiunddreißig verschiedene Ursachen haben. Die Korngröße des Sandes kann sich geändert haben, und dann macht die Rüttelfrequenz nicht mehr durchlässig, und wenn man Pech hat, verfestigt sie sogar den Sand. Man kann alles wieder herausziehen und einen Meter daneben von vorn anfangen. Oder das Rohr war irgendwo nicht fest genug verschraubt, es lockert sich, der ganze Duritstrang kriegt eine andere Eigenfrequenz und fängt an zu »singen«. Dann stimmt nichts mehr, und der Effekt ist der gleiche wie oben. Oder…, oder…
    Es war eben wie bei jeder neuen Technologie – wir brauchten zwei, drei Wochen, bis wir das nötige Fingerspitzengefühl entwickelt hatten und unsere Vermutungen, woran es jeweils liegen könne, meistens zutrafen.
    Na, und von der Hitze, dem Sand und den anderen Dingen, die den Aufenthalt in der Wüste so angenehm machen, will ich gar nicht erst reden. Das kann man in jeder handlichen Reisebeschreibung nachlesen.
    Wenn wir abends, erfrischt und salopp gekleidet, in unserem wohltemperierten Wohnraum saßen, waren wir jedenfalls heilfroh, nicht in der romantischen alten Zeit zu leben, in der man auf Kamelen durch die Wüste schaukelte und von Zeit zu Zeit einem Sandsturm oder einer Fata Morgana begegnete. Es war so auf jeden Fall angenehmer, wenn auch vielleicht nicht so interessant. Aber das lag nun wieder an den Sitten und Gebräuchen, die sich bei uns herausgebildet hatten.
    Die Zwillinge waren nämlich echte und vollkommene Zwillinge, und deshalb waren sie auch in ihrer Freizeit einander genügend Gesellschaft. Sie spielten ein Spiel, das man lebenslänglich zu zweit spielen kann: Schach. Und ich wäre wahrscheinlich vor Langeweile gestorben, wenn sich mein Verhältnis zu Inge nicht gebessert oder, richtiger, normalisiert hätte. Sie war mir nämlich nach und nach unentbehrlich geworden – was die Arbeit betrifft, meine ich; ganz besonders in der Zeit, als ich Tag und Nacht im Zelt saß und das Sprengschema ausarbeitete.
    Damit will ich nichts gegen die Zwillinge gesagt haben, sie waren fleißig und zuverlässig, aber – nun, wenn man täglich damit hantiert, wird ja wohl
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