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Die Toten der Villa Triste

Die Toten der Villa Triste

Titel: Die Toten der Villa Triste
Autoren: Lucretia Grindle
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Unsere Zeit war gekommen. Und wir waren gesegnet gewesen.
    Und dann, eines Abends, vor zwei Jahren, saß ich vor dem Fernseher. Normalerweise sehe ich kaum fern. Aber man zeigte die Feiern zum sechzigsten Jahrestag, und wir waren wegen »Gedenkt der Gefallenen« eingeladen worden. Wir wären auf keinen Fall hingefahren – Sie verstehen, warum –, trotzdem war ich neugierig. Also schenkte ich mir ein Glas Wein ein, blätterte in einem Buch, das mir meine Tochter geschickt hatte, und ließ nebenher den Fernseher laufen, bis ich diese Stimme hörte. Bis ich Massimo hörte.
    Eigentlich hörte ich zuerst sein typisches Wiehern. Dieses Lachen. So voller Hass.
    Ich sah auf. Um ein Haar hätte ich den Wein verschüttet. Da standen sie auf dem Bildschirm. Alle zusammen. Massimo, Beppe und Il Corvo. Drei tote Männer mit einem Orden an der Brust.
    Das Merkwürdige war, dass ich gar nicht nachzudenken brauchte. Es war, als hätte etwas all die Jahre tief in mir gewartet. Ich wusste genau, was ich zu tun hatte.
    Ich nehme an, dass ich die Sauer all die Jahre für so einen Fall aufbewahrt hatte. Vielleicht genau für diesen Fall. Merkwürdig, wie das Gehirn arbeitet, ohne dass man sich dessen bewusst ist.
    Den ganzen Herbst und Winter über plante ich – auch das haben Sie richtig erfasst –, nicht weil ich nicht gewusst hätte, wie ich es anstellen sollte, sondern weil ich es auf jeden Fall richtig machen wollte. Noch etwas bremste mich. Ich konnte mir nicht vorstellen, etwas zu unternehmen, bis Cosimo gestorben war. Ich konnte nicht riskieren, dass ich verhaftet und eingesperrt würde. Er war damals schon todkrank. Ohne mich wäre er nicht mehr zurechtgekommen. Das war ich ihm schuldig – sicherzustellen, dass ich in seiner letzten Stunde an seiner Seite wäre.
    Doch gleichzeitig begann ich zu planen. Ich studierte die Karten, suchte vor allem nach Nebenstraßen. Ich begann wieder zu schwimmen, um meine Schulter und meine Hand zu kräftigen. Ich ging sogar ein-, zweimal mit meinem Schwiegersohn jagen. Damit ihm die fehlende Schachtel Munition nicht auffiel.
    Trantemento tötete ich als Ersten. Eine Weile beobachtete ich nur sein Haus. Wie Sie richtig bemerkten, sind alte Frauen praktisch unsichtbar, und so konnte ich mich allmählich daran gewöhnen, meinen alten Mantel zu tragen und eine grässliche alte Tasche mit mir herumzuschleppen. Dann, am 1. November – ich war froh über den Regen, Regen bietet eine gute Tarnung, weil die Menschen kaum aufsehen, wenn sie durch den Regen eilen –, schlüpfte ich in sein Haus und ging direkt nach oben.
    Ich brauchte nur an seine Tür zu klopfen. Und wissen Sie, was merkwürdig ist? Er erkannte mich. Auf den ersten Blick. Ich glaube, er wusste sogar, warum ich gekommen war. Wenn er laut geworden wäre, hätte ich ihn einfach erschossen. Aber er gab keinen Ton von sich. Er sagte kein Wort. Als ich ihm befahl, sich hinzuknien, wirkte er beinahe erleichtert.
    Bei Beppe hatte ich alle Vorarbeiten längst erledigt. Ich wusste, wann er am ehesten zu Hause und allein sein würde. Von mir stammte der Vorschlag, dass wir mit der Familie nach Apulien fahren sollten, und bei so vielen Menschen kann man leicht für ein paar Stunden aus dem Hotel verschwinden. Ich hatte ihn am selben Tag von einer Bar aus angerufen. Natürlich wollte ich nicht, dass seine Nummer in meinem Handy gespeichert wurde, und ich achtete darauf, keinen Namen zu nennen, darum behauptete ich, dass ihn mein Mann von den Partisanen gekannt hätte. Das reichte schon. Vollauf sogar. Er lud mich nicht nur zu sich ein, der arme Narr hatte uns sogar im Garten den Tisch gedeckt.
    Bei Massimo habe ich so etwas nicht einmal versucht. Mir war von Anfang an klar, dass es bei ihm am schwierigsten würde, dass er sich am ehesten wehren würde. Er hatte kein Gewissen, müssen Sie wissen. Er war ein arroganter Tyrann. Selbstgerecht und eitel.
    Sie waren mir inzwischen dicht auf den Fersen, aber es war Jagdsaison, darum hoffte ich, dass er morgens auf die Jagd gehen würde. So wie meistens. Ich war auf alles vorbereitet – wenn er an jenem Morgen nicht jagen gegangen wäre, wäre ich einfach zu seinem Haus oder den Ställen gegangen und hätte ihn dort erschossen. Ich musste es zu Ende bringen, bevor Sie es taten, verstehen Sie? Aber letzten Endes blieb mir das erspart. Meine Tochter besitzt ein Landhaus in der Nähe von Siena, wo ich ihn im letzten Herbst zu beobachten begann. Trotz all seiner Überwachungskameras beging er den
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