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Schattenfürst - Landers, K: Schattenfürst

Schattenfürst - Landers, K: Schattenfürst

Titel: Schattenfürst - Landers, K: Schattenfürst
Autoren: Kim Landers
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1.
Prag, zu Beginn des 19. Jahrhunderts
    Die Nacht legte sich wie ein schwarzer Schleier über Prag. Wo noch vor einer Stunde Hufgetrappel und Schritte durch die Straßen hallten, herrschte nun Totenstille. Dominik liebte es, durch die menschenleere Stadt zu schlendern. Es war nicht die kalte Novembernacht, die die Menschen auch heute zurück in ihre Häuser trieb, sondern es war die Furcht vor Vampiren, die nachts auf Beutezügen die Stadt durchstreiften.
    Der Hunger auf frisches Blut hatte auch Dominik in die Stadt gelockt. In Gestalt eines Wolfes erbeutete er Ratten am Flussufer. Danach trabte er die Prager Stadtmauer entlang. Sein Ziel war das verrufene Palais des Grafen von Boskovic. Das Licht des Vollmondes überzog die feuchten Straßen mit einem silbrigen Glanz.
    Dichter, weißer Nebel schwebte über der Moldau und umhüllte die Statue des heiligen Johannes wie ein Leichentuch. Schnelle Schritte näherten sich. Dominik verharrte auf der Stelle.
    Dann sprang er lautlos auf die Stadtmauer und erkannte von oben den Nachtwächter, der gerade seine Runde beendete. Einer der wenigen Bewohner, die trotz der Gefahr ihre Pflicht erfüllten. Deutlich witterte Dominik den Schweißgeruch des Mannes und die Furcht, die darin lag. Der Alte hatte ihn noch nicht bemerkt, sondern blies nach einem flüchtigen Blick über die Schulter das Licht in der Laterne aus. Dann eilte er über die Karlsbrücke, die sich über die Moldau spannte. Dominik folgte ihm und tauchte in den Nebel ein. Als sie die Brücke zur Hälfte überquert hatten, lichtete sich der weiße Schleier und gab Dominik preis. Der Alte blieb abrupt stehen. Langsam drehte er sich um. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, und er setzte an zu schreien. Doch nur ein heiseres Röcheln drang aus seiner Kehle.
    Die Todesangst verlieh dem Nachtwächter ungeahnte Kräfte. Mit einer Geschwindigkeit, die Dominik ihm nicht zugetraut hätte, drehte sich der Alte um und rannte weiter. Dabei bekreuzigte er sich und murmelte ein Gebet. Dominik folgte ihm in einigem Abstand. Er genoss es, den Alten in Angst zu versetzen.
    Nach wenigen Metern erlahmten die betagten Beine des Nachtwächters, jeder seiner Atemzüge wollte ihm die Brust sprengen. Nur wenige Schritte trennten ihn von seinem Haus, das sich nahtlos an die Brücke anschloss.
    Dominik beobachtete in Ruhe, wie der Alte in Panik vor ihm herstolperte und hinter der ersten Haustür verschwand.
    Der Alte wäre jederzeit ein leichtes Opfer gewesen, wenn Dominik nur gewollt hätte.
    Anschließend schlug er den Weg zum Marktplatz ein. Niemand begegnete ihm, als er durch die schmalen Gassen lief. Nur die Wagemutigen unter den Bewohnern Prags suchten ihr nächtliches Vergnügen in dem berüchtigten Stadtpalais, das am Ende des Marktplatzes lag.
    Aus dem Innern des herrschaftlichen Gebäudes erklangen Walzermelodien. Die abgerundeten Fenster der ersten Etage waren hell erleuchtet. Unter riesigen Kronleuchtern schwebten Damen und Herren in festlicher Abendrobe übers Parkett. Gelächter mischte sich mit Geigenklängen und Gläserklirren.
    Dominik ließ sich von dem Bild eines harmlosen Balles nicht beirren. Jiri Graf von Boskovic war der Anführer des Prager Vampirclans. Dieser lud alles, was Rang und Titel besaß, regelmäßig zu pompösen Bällen ein, die für ihre Ausschweifungen überall bekannt und heiß begehrt waren. In den gehobenen Gesellschaftskreisen galt er als ehrenhaft, und man folgte seinen Einladungen gern. Die Damenwelt lag ihm zu Füßen, geblendet von seinem Reichtum und seiner charismatischen Ausstrahlung ergeben. Doch sein wahres Gesicht zeigte er, wenn er eine der Frauen zu seiner Auserwählten erkor. In den Kellergewölben seines Stadtpalastes feierte er Orgien und blutige Rituale. Gaben sich die Damen willig seinen Verführungskünsten hin, wurden sie zu seinen Sklavinnen, um dann als eine Gefährtin der Nacht wiedergeboren zu werden. Widersetzten sie sich ihm, wartete der Tod auf sie.
    Dominik schlich näher ans Fenster heran, um neugierig einen Blick auf die heutige Gesellschaft zu werfen. Er wandelte seine Gestalt in eine Fledermaus und flatterte auf den Fenstersims, um das Geschehen aus der Nähe zu betrachten.
    Neben dem Fenster stand eine junge Frau mit einem Weinglas in der Hand. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt. Ihr langes, goldenes Haar ergoss sich wie ein Wasserfall über die bloßen Schultern bis zu den Hüften. Die Arme steckten bis zum Ellbogen in seidenen, weißen Handschuhen, passend zum
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