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Die Toten der Villa Triste

Die Toten der Villa Triste

Titel: Die Toten der Villa Triste
Autoren: Lucretia Grindle
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was es bedeutete, dass Mama gestorben und Cati in Sicherheit war, erschien es mir plötzlich klüger und sicherer, ebenfalls tot zu sein.
    Man sagt, das Leben würde sich nicht von einem Herzschlag zum anderen ändern. Aber meines änderte sich sehr wohl.
    Nur ein paar Menschen warteten vor mir an dem Tisch, an dem die Namen aufgenommen wurden. Ein paar Minuten später war ich an der Reihe und sagte, als ich vortrat: »Donata Leone.«
    Und das war alles. Damit war alles vorbei. Und alles Neue begann.
    Ich weiß, was Sie sich fragen. Mein Sohn. Ich habe ihn sehr wohl geliebt, bitte glauben Sie mir das. Mehr als alles andere auf der Welt. Aber ich wollte auch, dass er in Sicherheit lebt. Und in Freiheit. Und glauben Sie mir, ich wusste, dass Caterina die beste Mutter war, die man sich nur vorstellen kann. Wahrscheinlich hatte sie schon erfahren, dass ich tot war. Lodovico hatte bestimmt seine Verbindungen zu den Alliierten und zum Roten Kreuz spielen lassen, und beide hatten ihm wahrscheinlich mitgeteilt, dass ich am 17. April ums Leben gekommen war. Ich wusste auch, dass Cati und Lodo nach Amerika auswandern wollten. Man hatte ihm mitgeteilt, dass sie ein Visum bekommen würden – auch darum hat er sie nach Neapel kommen lassen. So, wie ich es sah, standen die Chancen gut, dass sie Ende Juni schon abgereist waren. – Cosimo fand das später für mich heraus. Sie waren Ende Mai auf einem Lazarettschiff nach Amerika gefahren. – Ich weiß nicht, ob Sie das verstehen: Ich wollte, dass sie ihr eigenes Leben führen konnten. Das beste Leben, das sich ihnen bot. Und ich wusste immer – aber vor allem damals, als ich schließlich dazu in der Lage gewesen wäre, als ich Cosimo geheiratet hatte –, dass Caterina, sollte ich sie je ausfindig machen und Verbindung mit ihnen aufnehmen, darauf bestehen würde, dass ich mein Kind wieder zu mir nahm. Sie würde ihn aufgeben. Nachdem sie alles andere verloren hatte, würde sie damit auch ihr Kind verlieren. Und er würde seine Mutter verlieren. Ich würde ihnen das Einzige wegnehmen, was ich ihnen je geschenkt hatte.
    Das konnte ich einfach nicht. Das wäre falsch gewesen. Darum ließ ich sie ziehen. Ich weiß, dass mein Sohn einen wunderbaren Vater und eine noch wunderbarere Mutter hatte. Eine, die ihn niemals auch nur für eine Sekunde aufgegeben hätte.
    Ich fand eine Wohnung. Eigentlich war es ein Loch. Und ich fand schnell wieder Arbeit, in einer Restaurantküche, wenn man es denn so nennen wollte. Florenz, vergessen Sie das nicht, war damals seit fast einem Jahr befreit. Ich schälte Gemüse. Wusch Teller ab. Meistens achtete ich darauf, nicht in Erscheinung zu treten. Aber Sie hatten recht. Ich hatte ständig Angst, dass man mich erkennen könnte. Darum änderte ich mein Aussehen. Ich hatte meine Haare kurz geschnitten. Das war einfacher. Und ich färbte sie dunkel. Wieder übte ich einen anderen Gang ein. Ich zog hauptsächlich Sachen an, die ich früher gehasst hätte. Ich änderte meine Aussprache. Ich hielt mich von den Plätzen fern, an denen ich als Studentin verkehrt hatte, und auch vom Haus meiner Eltern – das fiel mir am schwersten, und ich gestehe, dass der Hund und ich mehrmals nachts den Hügel erklommen. Und dann wurden wir zu Dieben.
    Mir fiel ein, dass Cati beschrieben hatte, wie Mama ihren Schmuck im Garten vergraben hatte. Ich wusste, dass das Haus leer stand, weil ich es lange genug beobachtet hatte. Also kletterte ich eines Nachts durch die Hecke. Mein Freund, wie Sie gelacht hätten. Ich wusste nicht genau, wo sie die Sachen vergraben hatten, darum wühlte ich wie ein irrwitziger Maulwurf unter jedem Busch, während Piri brav Wache hielt. Ich brauchte drei Nächte, drei Anläufe, um die Sachen zu finden, aber schließlich hatte ich das in Öltuch eingeschlagene Paket ausgegraben. Im Lauf des nächsten Jahres verkaufte ich fast alle Stücke. Selbst Mamas Aquamarin. Papas Uhr behielt ich. Ich schenkte sie Cosimo. Er trug sie bis zu seinem Todestag. Und Caterinas Verlobungsring. Ich nahm ihn als meinen. Sie haben ihn ein Dutzend Mal an meiner Hand gesehen und mindestens ein Mal eine Bemerkung darüber gemacht, wie ich mich entsinne.
    Letzten Endes bekam ich nicht viel für die Stücke. Ich musste sie versetzen, und Sie können sich vorstellen, wie der Markt direkt nach dem Krieg überschwemmt wurde. Aber das wenige, was ich bekam, erleichterte Piri und mir das Leben deutlich. Hauptsächlich, weil wir einen sicheren Platz zum Wohnen fanden. Einen Teil
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