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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers
Autoren: Wilken Constanze
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elektrisiert von der Berührung des Jünglings beugte sich Agozzini vor und legte seine Hand auf dessen dunkle Haare. Als er kühle Hände auf seinen Oberschenkeln spürte, schoss alles Blut in seine Lenden, er spreizte schwer atmend die Beine und hielt überrascht inne, als der junge Mann flüsterte: »Segnet mich, Vater, denn ich habe gesündigt.«
    Â»Wie kann ein so vollkommenes Geschöpf sündigen? Hat nicht Gott uns unseren Körper geschenkt, damit wir ihn ehren?« Wollte er diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen, musste er sich zu mehr Geduld anhalten. Vielleicht war dieser Junge noch unschuldig? Umso süßer würde die Lust sein, die sie gemeinsam kosten würden. Agozzini hob sacht das Kinn des Jünglings an. »Du musst nicht vor mir knien. Ich bin es, der vor dir im Staub liegen sollte, weil du mehr in mir siehst als nur einen kirchlichen Würdenträger. Komm, steh auf und trink mit mir.«
    Lautlos und mit der Wendigkeit einer Katze erhob sich der Jüngling und nahm den angebotenen Kelch. Während er ihn an den Mund setzte, suchte er Agozzinis Augen. In einem Zug leerte er den Kelch und stellte ihn wieder auf den Tisch.
    Aus einer Tasche seines weiten Mantels zog Agozzini ein schmales Päckchen und reichte es dem Besucher. »Du hast schöne Hände, und diese Handschuhe werden sie wärmen, bitte. Sie sind aus feinstem Hirschleder.«
    Lächelnd entfernte der junge Mann Kordel und Seidenpapier und streifte die edlen Handschuhe über. »Sie sitzen, als wären sie für mich gemacht.«
    Â»Das sind sie, mein schöner junger Freund. Und ich hoffe sehr, dass ich dir noch viele kostbare Geschenke machen darf.« Ein Geräusch im Kirchenschiff ließ ihn aufhorchen.
    Â»Ratten. Sie sind überall.«
    Etwas im Tonfall seines Gastes ließ ihn Verdacht schöpfen. Mit flackernden Lidern musterte Agozzini sein Gegenüber und fand auf einmal Abscheu in den Augen, in denen er eben noch Bewunderung gesehen zu haben glaubte. Seine Erregung wich nervöser Anspannung. Mit zitternden Händen nahm er die Karaffe und goss erneut Wein in den Kelch seines Besuchers. Aus der Dunkelheit des Seitenschiffs drangen nun deutlich Schritte und leise Stimmen zu ihnen herein, doch der Jüngling rührte sich nicht, sondern musterte ihn kalt. Langsam zog er die Handschuhe aus und steckte sie in seinen Gürtel.
    Â»Danke, ich werde an Euch denken, wenn ich sie trage.« Mit schnellen Schritten stellte er sich hinter den Stuhl des Gesandten und rief zur Tür: »Herein!«
    Als dort drei Männer erschienen, wusste Agozzini, dass seine Todesstunde gekommen war. »Ich dummer alter Narr. Dass mir die Gunst eines solchen Lieblings der Götter geschenkt werden sollte, hätte mich stutzig machen sollen …« Er schüttelte den Kopf.
    Â»Wir alle haben unsere Schwächen, Euer Gnaden.« Einer der Männer trat aus der Dunkelheit auf ihn zu. Seine Stimme ließ ihn aufhorchen.
    Â»Ihr?« Agozzini rief sich die Begegnung auf der Piazza ins Gedächtnis und erkannte plötzlich seinen Fehler. Der Jüngling hatte ihn in eine Falle gelockt. Er war der Diener dieses Mannes und nicht, wie er angenommen hatte, des Kaufmanns. Die Gesichter der anderen beiden kamen ihm bekannt vor, aber er wusste nicht, woher. Einer war kräftig und hatte das Auftreten eines Soldaten. Seine Überlegungen wurden jäh unterbrochen.
    Â»Wen wolltet Ihr hier treffen, Agozzini, und wie lautet Euer Auftrag?«, fragte der Herr des Jünglings und stellte sich dicht vor ihn, während seine Begleiter sich in der Sakristei umsahen.
    Angstschweiß lief ihm den Körper hinunter und sammelte sich am Hosenbund und in den Kniekehlen. Fieberhaft suchte er sich an den Namen des Wortführers zu erinnern, denn der Bischof hatte ihm die Männer auf der Piazza vorgestellt. »Ich bin Gast des Bischofs. Wir sind alte Freunde, und das solltet Ihr bedenken und Euch nicht zu etwas hinreißen lassen, das Euch schlecht bekommen könnte.«
    Der Mann lachte leise, doch seine Augen musterten ihn kalt. »Der Einzige, der sich Sorgen machen sollte, seid Ihr. Ich frage noch einmal – wer ist Euer Verbündeter hier in Lucca?«
    Â»Wie kommt Ihr überhaupt auf die Idee, ich hätte hier Verbündete? Mein Aufenthalt hier ist rein privater Natur.« Er sah sich um, fühlte jedoch im selben Augenblick den kalten Stahl eines Dolches an
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