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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers
Autoren: Wilken Constanze
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und dir helfen? All die Jahre war ich mehr als eine Sekretärin für dich. Ich kann rechnen, besser als …«
    Â»Beatrice«, unterbrach Messer Jacopino sie sanft, »du bist zu schön und zu jung, um hier zwischen den Papieren zu vertrocknen, während das Leben draußen vorüberzieht.«
    Â»Aber ich liebe die Arbeit hier!« Trotzig sah sie ihn an, wohl wissend, dass es sinnlos war zu widersprechen.
    Â»Du bist eine Frau, Beatrice, du bist mein einziges Kind, und ich möchte dich wohlversorgt sehen. Die Gesetze verbieten mir, dir den Handel zu übertragen. Ich habe sie nicht gemacht.« Messer Jacopino Rimortelli runzelte die Stirn und fuhr sich durch die grauen Haare, die widerspenstig von seinem Kopf abstanden.
    In seinem Festtagswams aus blauem Samt sah er aus wie ein Aristokrat, was sie ihm nicht sagen durfte, denn er verabscheute den Adel, der für ihn die Zecke im Pelz des Schafes war. Schlimmer waren höchstens noch die Kleriker, allen voran der Papst, dessen selbstsüchtige Politik sie alle in den Ruin trieb. Clemens VII. war nicht nur ein Medici, sondern zudem ein hoffnungsloser Taktierer, dem jede Geradlinigkeit fehlte. Durch endloses Hinhalten hatte er sich das Vertrauen vieler Verbündeter verspielt. Obwohl Clemens ohne die Protektion von Karl V. nie den Papstthron bestiegen hätte, zeigte er ihm gegenüber keine Loyalität, was sich ohne Zweifel irgendwann rächen würde. »Nein, Vater, ich weiß.« Sie legte ihm versöhnlich eine Hand auf den Arm.
    Der Rubin funkelte im Licht, das durch die farbigen Fenster fiel. »Ein weniger kostbarer Ring hätte es auch getan. Mit diesem Geschenk bezeugt er seinen Willen, dich standesgemäß zu versorgen.«
    Â»Nach einem Jahr wird er ihn verkaufen«, sagte Beatrice abfällig. Es war nicht unüblich, dass die Ehemänner teure Kleider und Schmuckstücke nach dem ersten Ehejahr veräußerten. Die prachtvollen Geschenke dienten meist nur dem Einführen des Brautpaars in die Gesellschaft. War dies geschehen, konnte der Ehemann alles, was er mit seinem Geld bezahlt hatte, wieder verkaufen.
    Messer Jacopino winkte ab, holte eine eiserne Schatulle unter seinem Pult hervor und schloss sie auf. In ihr bewahrte er Urkunden, Verträge und Papiere auf, die seine Besitzungen bezeugten. Er nahm eine Schriftrolle heraus. »Das ist mir wohlbekannt. Aber was auch immer dein Mann verkaufen wird oder nicht, und auch, wenn er dich nach seinem Tod unversorgt zurücklassen sollte – du musst niemals Not leiden. Dafür habe ich gesorgt. Ich darf dir zwar nicht den Großteil unseres Besitzes und das gesamte Land vermachen, aber die Villa in Gragnano wird dir gehören und auch ein beträchtlicher Anteil an Barvermögen. Es steht alles hier drin!« Er wog die Rolle in seiner Hand und legte sie zurück in die Schatulle.
    Â»Danke, Vater«, flüsterte sie und wollte ihn umarmen, doch er wehrte ab.
    Â»Du bist noch nicht umgekleidet. Deine Mutter wird dich suchen und das gesamte Haus in Aufruhr versetzen. Geh schon! Es wird alles gut werden …« Er wandte sich ab und nestelte am Schloss der Kassette herum. Das Licht der Morgensonne fiel auf sein Gesicht und machte die vielen Linien sichtbar, die seine gütigen Augen umrandeten und seine Stirn durchzogen. Das Alter hatte Spuren hinterlassen, Spuren, die Beatrice so vertraut geworden waren, dass sie sie bis zu diesem Tag nicht bemerkt hatte.
    Â»Du wirst mir fehlen …«, sagte sie so leise, dass ihr Vater es nicht hörte. Beim Hinausgehen zog sie die Tür hinter sich zu und sah nicht, wie eine Träne auf die Kassette fiel.
    Â 
    Es hatte aufgehört zu schneien, und die Wolken waren aufgerissen. Die dünne Schneedecke im Innenhof war von Fußspuren übersät. Frische Pferdeäpfel dampften in der Kälte, Knechte waren mit dem Herrichten der Sänften beschäftigt, Diener trugen Kisten und Truhen aus dem Haus, und ein Junge warf einen Stapel Feuerholz vor die Küchentür. Beatrice zog den Umhang von ihren Schultern und ging durch die Halle hinauf in die Wohnräume des ersten Stocks. Kaum hatte sie sich gefragt, wo ihre Mutter wohl zu finden sei, als sich die Türen zu ihrer Linken öffneten und Margareta Rimortelli mit einem roten Kleid auf den Armen auf sie zueilte.
    Selbst im fortgeschrittenen Alter und in einem Zustand höchster Nervosität, der sich in roten Flecken auf ihren
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