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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers
Autoren: Wilken Constanze
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Priester lebte im Konvent von San Frediano und hatte sich durch seine Güte und vor allem durch seine erfolgreiche Lehrtätigkeit an der dortigen Armenschule einen Namen gemacht.
    Â»Das mag sein, aber es gibt ihn. Madonna, ich verstehe Euch ja, aber seid ein wenig vorsichtiger mit dem, was Ihr über die Kirche sagt. Ich weiß, Ihr habt ein gutes Herz, und mich geht es nichts an, wenn Ihr Schriften von diesem Luther lest, aber Ihr seid nicht in deutschen Landen.« Ines hob seufzend die Schultern. »Hier herrscht der Papst. Allein wegen Eurer Herkunft wird man Euch mit Argwohn begegnen. Gebt ihnen keinen Anlass, Euch wehzutun.« Besorgt griff Ines nach der Hand ihrer Herrin.
    Beatrice erwiderte den Druck. »Ich weiß schon, warum ich dich mitnehmen will. Du passt auf mich auf. Aber jetzt geh und sag meiner Mutter, dass ich gleich komme.«
    Nachdem die klappernden Schritte ihrer Zofe auf der Treppe verhallt waren, betrachtete Beatrice nachdenklich den Ring, der sie täglich an ihre Zukunft erinnerte. Selbst ohne direktes Licht schimmerte der Stein tiefrot und zeugte von seiner Herkunft aus Mogok in Asien, wo die schönsten Steine gefunden wurden. Gefasst war er in schlichtem Gold, was seine Wirkung erhöhte und für den erlesenen Geschmack ihres Bräutigams sprach.
    Beatrice trat an die Brüstung des Turmes. Wie die meisten Palazzi wohlhabender Luccheser hatte auch der Palazzo ihrer Eltern einen hoch über den Häusern der Stadt aufragenden Turm, der den Stand ihrer Familie anzeigte. Der höchste Turm gehörte den Guinigis, eine der mächtigsten Familien der Stadt. Im vierzehnten Jahrhundert hatte Paolo Guinigi Lucca für einige Jahre regiert. Seitdem war die Stadt eine freie und stolze Republik. Freiheit, dachte Beatrice, ist nur für den von Bedeutung, der sie auch leben darf. Sehnsüchtig glitt ihr Blick zu den Bergen. Dahinter war die Welt. Dahinter lagen Mailand und Venedig. Von dort fuhren Schiffe in den Osten, von wo sie die kostbaren Güter mitbrachten, die Lucca reich gemacht hatten. Hinter den Alpen lag Nürnberg, ihre Heimat.
    Â»Madonna!« Beatrice ballte ihre Hände auf der verschneiten Brüstung. »Gib mir Kraft … gib mir Kraft …«, flüsterte sie, warf einen letzten Blick über die Stadtmauer, drehte sich um und schritt langsam die Treppe hinunter.
    Vertraute Gerüche schlugen ihr aus dem Hausinnern entgegen und vergrößerten ihre Wehmut, diesen Ort heute verlassen zu müssen. Sie hörte Ines eines der jungen Mädchen schelten, die sich um die Wäsche kümmerten. Überall eilten die Dienstboten in höchster Aufregung hin und her, Türen gingen auf und klappten zu. Aus dem Innenhof drangen die Stimmen der Knechte und das Klappern der Pferdehufe auf dem Pflaster zu ihr herauf. Darauf bedacht, ihrer Mutter nicht zu begegnen, die sie sofort zum Umkleiden gedrängt hätte, huschte Beatrice die Treppe hinunter, ließ die Küche hinter sich und eilte über den Hof zu den Zimmern, die zur Straße hin lagen. Hier befanden sich einige Verkaufs- und Lagerräume und das Kontor ihres Vaters, Messer Jacopino Rimortelli.
    Leicht außer Atem schloss sie die massive Holztür hinter sich. Den Kopf über seine Kontobücher geneigt, stand Messer Rimortelli an einem der vielen Pulte aus dunklem Holz. Die Wände des langgestreckten Raumes waren von Regalen bedeckt, in denen sich Schriftrollen, unzählige Bündel Papier, sorgsam abgeheftete Dokumente und Reihen von hochformatigen Kontobüchern scheinbar ungeordnet aneinanderdrängten. Doch Beatrice wusste es besser. Alles hatte seinen Platz. Jahrelang hatte sie viele Stunden an der Seite ihres Vaters damit verbracht, Warenein- und -ausgänge zu notieren, Verträge in Bücher zu kopieren, Schriftwechsel mit den Partnergesellschaften in Konstantinopel oder Alexandria zu führen und Rechnungen zu prüfen. Zärtlich strich sie über die blanke Oberfläche eines Pults und nahm eine der Federn auf, die neben einem Tintenfass lag.
    Â»Willst du etwa heute arbeiten?« Messer Jacopino hob den Kopf.
    Sie erwiderte stumm seinen Blick, woraufhin ihr der Vater liebevoll eine Hand unter das Kinn legte. »Du würdest lieber hier mit mir über den Büchern stehen, habe ich recht?« Er schüttelte den Kopf und küsste sie auf die Wange. »Das hier ist nicht dein Weg.«
    Â»Warum nicht, Vater? Warum kann ich nicht hierbleiben
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