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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
Autoren: Lesley Downer
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das Gesicht des Neuankömmlings, und ihr blieb der Mund offen stehen, als sie erkannte, dass es nur ein Junge war, ein dürrer Junge. Die Augen in seinem sonnenverbrannten Gesicht waren vor Furcht weit aufgerissen, aber auch voll finsterer Entschlossenheit. Er hatte das Überraschungsmoment auf seiner Seite gehabt, doch nun zeigte sich, dass er gegen den bulligen Samurai keine Chance hatte.
    Fujino reichte Kiharu das Schwert, hob ihren Dolch und hielt inne, den Arm über dem Kopf. So furchtlos ihre Mutter auch war, Taka hatte nie erlebt, dass Fujino Blut vergossen hatte. Sie atmete tief ein und stieß mit dem Dolch zu, direkt in die ungeschützte Schulter des Samurai. Als sie den Dolch herauszog, spritzte Blut auf ihre Röcke. Fujino zitterte vor Entsetzen.
    Der Mann jaulte auf und griff sich an die Schulter. Der Stich hatte ihn verlangsamt, aber nicht kampfunfähig gemacht. Herrisch ruckte Fujino mit dem Kopf, der Junge sprang aus dem Weg, und sie warf sich gegen den Samurai, stieß ihn zu Boden und plumpste mit ihrem enormen Gewicht auf seinen Rücken. Die winzige Tante Kiharu setzte sich auf seine Beine. Die beiden Frauen keuchten, die Wangen gerötet, doch ihre Augen sprühten Feuer. Der Samurai wand sich, hämmerte auf den Boden und stieß gedämpfte Schreie aus, ohne dass es ihm etwas nützte.
    Ängstliche Gesichter tauchten an der Tür auf – ein rundlicher, beflissen wirkender Mann mittleren Alters, der sich nervös die Hände rieb, und zwei vierschrötige Polizisten mit strengen Gesichtern und ordentlich geknöpften Uniformen. Bei dem ganzen Tumult hatte niemand ihre Ankunft bemerkt. Die Polizisten fesselten dem Samurai die Arme, und Taka hörte ihn nach Luft schnappen, als sich Fujino von ihm wälzte. Sie stand auf, glättete ihre Röcke und untersuchte sie wehmütig.
    »Es tut mir so leid, verehrte Dame, es tut mir so leid«, sagte der rundliche Mann, den Taka für den Restaurantbesitzer hielt, und rang die feisten Hände. Er fiel auf die Knie und verneigte sich ein ums andere Mal. Weitere Gesichter tauchten auf, schauten durch die Tür, die Augen riesig wie bei verängstigten Kaninchen – der Rikscha-Junge und die Diener. Sie warfen sich vor Fujino auf die Knie, stammelten Entschuldigungen und schlugen mit dem Kopf auf den Boden.
    Ihr Retter stand unsicher im Flur. Ein Straßenjunge, nicht viel älter als Taka, hoch aufgeschossen und schlaksig, mit einem langen Hals und markanter Nase. Sein schmales Gesicht war tief gebräunt, als hätte er auf den Reisfeldern gearbeitet, und auf seiner Oberlippe spross leichter Flaum. Er trug eine äußerst seltsame Ansammlung an Kleidungsstücken. Taka musste sich ein Lächeln verkneifen, als ihr aufging, dass er die Kimonojacke eines Mädchens trug, an der man die Ärmel gekürzt hatte. Aus seinen schmalen schwarzen Augen schossen neugierige Blicke umher. Taka sah sich um, folgte seinem Blick und sah die umgeworfenen Stühle und das auf dem Boden verstreute Fleisch. Die Tische mit ihren Kübeln voll glühender Holzkohle waren wie durch ein Wunder stehen geblieben.
    Fujino wandte sich an ihn.
    »Du bist gerade noch rechtzeitig gekommen, junger Mann«, sagte sie ernst und ließ sich auf den Knien nieder. »Wir stehen in deiner Schuld.« Auch der Junge fiel auf die Knie, verbeugte sich und verschob unbehaglich das Gewicht.
    »Verzeihen Sie mir.« Er starrte zu Boden. »Ich habe nicht viel dazu beigetragen.« Unter seinem Edo-Tonfall war ein ländliches Näseln, die Andeutung irgendeines Dialekts zu hören. Verstohlen blickte er sich um, als würde er am liebsten fliehen.
    »Blödsinn«, kam es brüsk von Fujino. »Du hast uns gerettet.«
    »Er kam gerade vorbei, gnädige Frau«, mischte sich einer der Rikscha-Jungen ein, verbeugte sich hektisch und entblößte die Zähne zu einem verlegenen Grinsen. Er packte den Arm des Jungen und hielt ihn mit festem Griff. »Wir waren es, die ihn angehalten haben. Unsere Damen sind in Schwierigkeiten, sagten wir und haben ihn aufgefordert, Hilfe zu holen. Ein Raubüberfall, sagten wir, einer von diesen Ronin, ein Mann aus Satsuma, wie’s aussieht. Wir haben nicht gewagt, die Gäste anzusprechen, sie sahen alle viel zu wichtig aus. Aber er hat uns beiseitegestoßen und ist einfach hineingerannt.«
    »Ich habe gar nichts getan, ehrenwerte Dame«, murmelte der Junge. »Da war nur einer, und ich hab ihn nicht mal allein zurückhalten können. Tut mir leid, Sie enttäuscht zu haben. Besser, ich mache mich auf den Weg.« Er verbeugte sich
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