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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters
Autoren: Marion Henneberg
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Tal ganz recht, wenn die in den letzten Tagen noch mehr geschwitzt haben als wir hier oben«, antwortete ein zweiter mit einer relativ jungen Stimme.
    Dann war hastiges Schlucken zu hören, und eine Weile blieb es still. Guntram spürte, wie die Ungeduld langsamin ihm hochstieg. Konnten die beiden ihren Durst nicht schneller löschen? Er musste sich zwingen, Ruhe zu bewahren, denn am liebsten wäre er sofort leise die Sprossen der Leiter hochgeklettert und hätte den beiden mit Vergnügen die befeuchteten Kehlen durchgeschnitten. Es genügte ihm schon, die in seinen Ohren fremdländisch klingende Sprache der schwäbischen Burgmannen zu hören, um seine Wut zu entfachen.
    »Auf geht’s, wir müssen wieder zurück auf unseren Posten.«
    Ein Murren war zu hören, dann schwere Schritte, die sich langsam entfernten, und gleich darauf ergriff Guntram die erste Sprosse der in den Brunnenschacht fest verankerten Leiter und kletterte leise hinauf. Oben angekommen, harrte er eine Weile auf der obersten Sprosse aus und lauschte angestrengt in die nächtliche Stille. Aber der leichte Wind war in der Zwischenzeit zu einem mächtigen Sturm herangereift und verschluckte alle anderen Geräusche.
    Vorsichtig lugte der Bauer über den steinernen Brunnenrand und atmete erleichtert auf, als niemand zu sehen war. Eilig nahm er die letzten Sprossen, schwang sich über den Rand und kam ohne das geringste Geräusch auf dem Boden auf. Die Wachen aus dem stark befestigten Halbturm, der zum Schutz des lebensnotwendigen Brunnens in der Nordwestecke des Burggeländes stand, hatten den Hof gerade nicht im Blick. Höchstwahrscheinlich rechnete keiner von ihnen mit einer Gefahr, die von innen kam. Einzig in den Wachtürmen flackerten Lichter, die Fackeln im Hof hatte der Wind anscheinend ausgeblasen.
    Guntram kannte sich gut genug auf dem Gelände aus, so dass er auch im Finstern den Weg fand. Geduckt und im Schutz der Ringmauer schlich er an den Wirtschaftsgebäudenund der kleinen Kirche vorbei, bis er das zweiflügelige Wohngebäude erreichte, in dem Erchanger von Hadersgraben seine vornehme Unterkunft hatte. Jetzt kam der schwierige Teil seines Vorhabens, denn er wusste, dass der misstrauische Vogt immer mindestens eine Wache vor seinem Schlafgemach postiert hatte. Hinzu kamen die bewaffneten Männer im Eingangsbereich des großen Wohntraktes, dessen Flügel über Eck gebaut waren. Außerdem kontrollierten in regelmäßigen Abständen Zweiergruppen den gesamten Hof. All das war dem hünenhaften jungen Mann bestens bekannt, und er war auf der Hut. Während er im Schutz der Mauer saß, kamen prompt zwei Burgmannen in einiger Entfernung an ihm vorbei und gingen, ohne ihn zu bemerken, weiter in Richtung Brunnen. Die Eingangstür zum Wohngebäude stand bereits sperrangelweit offen, vermutlich um die abgestandene warme Luft des Tages entweichen zu lassen.
    Lautlos schlich Guntram Schritt für Schritt weiter, doch außer den normalen Schlafgeräuschen war nichts zu hören. Der Mief, der ihm sofort nach Betreten des Hauses entgegenschlug, nahm ihm fast den Atem. Der ungebetene Gast tastete sich weiter und erreichte, ohne aufgehalten zu werden, die Treppe. Guntram wusste noch aus der Erinnerung, dass einige der Stufen beängstigend knarrten, doch da er nur einmal hier gewesen war, konnte er sich nicht mehr daran erinnern, welche es waren. Ohne einen einzigen verräterischen Laut stieg er langsam höher, bis eine der Stufen plötzlich erbärmlich knarrte. Regungslos verharrte der junge Mann und lauschte in die Stille, aber außer dem Schnarchen der Männer war nichts zu vernehmen.
    Endlich erreichte Guntram das Obergeschoss und wagte einen schnellen Blick in den Flur. Zu seiner Überraschunglag der Gang in völliger Dunkelheit, denn es war allgemein bekannt, dass für den Vogt stets eine kleine Öllampe brannte.
    Als der Bauer mit einem unguten Gefühl im Bauch langsam weiterschlich, blitzte es. Gleich darauf krachte es gewaltig, und Guntram zuckte zusammen, wenngleich er froh war, im Schein des Blitzes niemanden in seiner Nähe gesehen zu haben. Andererseits machte es ihn unsicher, denn die Situation war anders, als er erwartet hatte.
    Was war nur los? Sollte es eine Falle sein, weil sie ihn entdeckt hatten? Nein, unwillkürlich schüttelte er den Kopf und schritt weiter bis zur Tür der Unterkunft, wo der Verwalter der Burg schlief. Das ungute Gefühl, das ihn beim Anblick des dunklen Ganges befallen hatte, verstärkte sich beim Eintreten, und als ein
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