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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters
Autoren: Marion Henneberg
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lachte er laut auf und bekannte dann seiner Nichte, dass ihm gerade wieder einfiel, wie seine Mutter vor Jahren spontan ein Fest veranstaltet hatte. Mit seiner tiefen, wohlklingenden Stimme begann er Henrika davon zu erzählen.
    An diesem Abend lag Henrika noch lange wach. Nachdem ihr Onkel seine Erzählung beendet hatte, waren sie in einvernehmlichem Schweigen zum Haus ihres Vaters gegangen, wo sie auf Mathilda und die Kinder trafen, die auf dem Markt verschiedene Einkäufe erledigt hatten.
    Das gemeinsame Abendessen verlief in einer angenehmen Atmosphäre, wenngleich Randolf fehlte. Er hatte sich entschuldigen lassen, da man seine Anwesenheit bei den Verhandlungen benötigte, denn der König erwartete ständig neue Berichte. Einen Tag später brach Randolf auf, ohne dass Henrika ihn noch einmal zu Gesicht bekommen hatte.
    Aufgrund der vielen Ereignisse hatte die junge Frau völlig vergessen, Goswin und ihrer Großmutter von dem Brief zu erzählen und den Aussichten, die er mit sich brachte. Das holte sie nun nach, und zum ersten Mal, seit Henrika denken konnte, sah sie ihre Großmutter vor lauter Glück weinen.
    Im fahlen Licht der zunehmenden Sichel am sternenklaren nächtlichen Himmel des langsam zu Ende gehenden Sommers schlich eine Gestalt durch das Unterholz. Bisher war der unbemerkte Aufstieg zur Burg hoch obenauf der Kuppe des Berges kein Problem gewesen, und dank des kleinen baulichen Geheimnisses des Königs würde auch der restliche Weg keine Schwierigkeiten bereiten. Sonst wäre nicht einmal eine Maus unbemerkt in die gut gesicherte Hartesburg gelangt, denn der Augapfel des Königs wurde nun schon seit über zwei Wochen von den Truppen der sächsischen Fürsten belagert. Die viel gepriesene Uneinnehmbarkeit stellte sich zwar als wahr heraus, doch half das dem König und seinen Mannen leider nicht weiter, denn sie schmorten in ihrer Festung und waren zur Untätigkeit verdammt. Es kam zwar niemand zu ihnen herein, doch heraus kamen sie ebenfalls nicht – bis vor einigen Tagen.
    Seitdem wurde der Brunnenschacht nämlich ungewöhnlich häufig benutzt.
    Nachdem Guntram sich davon überzeugt hatte, dass dem verletzten Randolf und Henrika nichts geschehen konnte, hatte er sich auf den Rückweg begeben. Mehr denn je war es sein Ziel, sich dem Heer des Grafen Otto von Northeim anzuschließen. Doch vorher musste er seinen Plan noch in die Tat umsetzen.
    Plötzlich verdunkelte sich das ohnehin schon schwache Licht, und verwundert blickte Guntram zum Himmel hinauf. Wolken waren aufgezogen, und jetzt spürte er auch den leichten Wind, der ihm vorher im Schutz der Bäume und Sträucher nicht aufgefallen war. Dankbar für den unverhofft kühlen Windhauch, wandte der junge Mann den Blick wieder auf den verborgenen Eingang zum Stollen, an dessen Ende der Brunnenschacht der Burg lag. Es konnte nicht schaden, wenn ein kleines Unwetter aufzog, denn Guntram brauchte jede Hilfe, und ein Gewitter würde die Aufmerksamkeit der Wachen gewiss auf sich ziehen. Nebenbei wäre ein kräftiger Regenguss eine willkommene Abkühlung. Trotzder nächtlichen Stunde war sein dünner Kittel komplett durchgeschwitzt, und das graue, fadenscheinige Kleidungsstück klebte wie eine zweite Haut unangenehm an seinem Körper.
    Als das Licht einer Fackel ein gutes Stück oberhalb von ihm auftauchte, duckte er sich instinktiv, obwohl er im Schutz der hohen Sträucher kaum auszumachen war. Der Wind wurde stärker, und als der flackernde Lichtpunkt wieder verschwand, lief Guntram in geduckter Haltung bis zum Stolleneingang, wo er vorsichtig die dünnen Zweige der Hecke auseinanderbog. Fast automatisch öffnete er die hölzerne Klappe und trat in den Gang, dessen Ende er bald darauf erreicht hatte.
    »He, warte mal!«
    Guntram, der gerade ein paar Krabbeltiere von seinem Kittel gestrichen hatte, blieb wie erstarrt stehen, als er die raue Stimme über sich vernahm. Gleich darauf entspannte er sich jedoch wieder. Wie konnte er nur so dumm sein? Natürlich war nicht er gemeint, denn niemand konnte ihn im Augenblick entdecken.
    »Mein Hals ist schon ganz ausgetrocknet. Verfluchte Hitze! Hoffentlich halten die Wolken das, wonach sie aussehen.«
    Im selben Augenblick klatschte ein Stück unterhalb von Guntram etwas ins Brunnenwasser, und er zuckte zusammen. Dann hörte er das leise Geräusch der Kurbel, als der volle Eimer wieder hochgezogen wurde.
    »Der Eimer reicht sicher für uns beide. Mann, der Wind tut vielleicht gut! Geschieht den Mistkerlen unten im
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