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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters
Autoren: Marion Henneberg
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erneuter Blitz den stockfinsteren Raum erhellte, verlor Guntram mit einem Schlag all seine Zuversicht.
    Das breite Bett war leer!
    Das darauffolgende Krachen des Donners bemerkte er kaum, so sehr hatte ihn das unerwartete Scheitern seines Plans getroffen. Mutlos ging er zur Fensteröffnung und blickte hinaus in die Nacht. Am schwarzen Himmel tobte das Unwetter.
    Plötzlich stutzte Guntram. Sein Blick blieb an dem Gebäude hängen, das sich linker Hand von ihm befand und aus drei großen Räumen bestand. Er selbst war noch nie dort gewesen, schließlich handelte es sich um den Palas des Königs. Wieso dort allerdings ein schwacher Lichtschein aus einem der Fenster nach draußen drang, konnte er sich auf Anhieb denken, und seine Mutlosigkeit machte einer Energie Platz, die mit Sicherheit für drei Männer gereicht hätte.
    In dem zuckenden Licht der Blitze maß er die Entfernungzum Boden, schwang seine langen Beine über den Fenstersims und sprang. Geschmeidig wie eine Katze kam er auf und verharrte einen Augenblick regungslos. Als es still blieb, eilte er weiter und drängte sich mit dem Rücken an die Ringmauer, wo er abwartete und erneut lauschte. Aus dem zweiflügeligen Bau waren Stimmen zu hören, und Guntram vermutete, dass das Gewitter einige der Schlafenden geweckt hatte. Aus dem Palas drangen keine Geräusche nach draußen, daher sprang der ungebetene Gast kurz entschlossen an der Hausmauer hoch, erwischte knapp den Fenstersims und zog sich hoch. Nach einem vorsichtigen Blick ins Innere des Zimmers hüpfte sein Herz vor Freude.
    Im Schein einer kleinen Öllampe konnte er in einem wahrhaft königlichen Bett die massige Gestalt des Vogts erkennen. Mühelos kletterte Guntram durch die Fensteröffnung in den Raum und starrte auf den Mann, der die Schuld an seinem Unglück trug.
    Erchanger von Hadersgraben schien mit einem tiefen Schlaf gesegnet zu sein, wenn das starke Gewitter es nicht schaffte, ihn zu wecken. Sein massiger Körper ruhte auf dem Rücken, und er bot ein groteskes Bild mit dem weit offenstehenden Mund und dem schwabbeligen weißen Bauch, den die heruntergerutschte Decke freigab. Es passte zu dem Widerling, dass er sich nun, da mit der Rückkehr des Königs vorerst nicht zu rechnen war, in Heinrichs Palas breitmachte.
    Der Verwalter ahnte nichts von dem Schicksal, das ihn bald ereilen würde. In aller Seelenruhe griff Guntram in die einzige Tasche seines durchgeschwitzten Kittels, zog ein zusammengeknülltes, schmutziges Tuch heraus und steckte es dem Schlafenden in den geöffneten Mund. Fast gleichzeitig riss Erchanger seine Augen auf,gab undefinierbare Laute von sich und versuchte, sich den Knebel aus dem Mund zu reißen.
    »Hände weg!«, zischte Guntram und hielt die Spitze seines Messers an die Kehle des verhassten Mannes, der augenblicklich der Aufforderung nachkam. »So ist’s brav, und jetzt schön die Hände nach oben strecken.«
    Die Panik in den Augen seines Opfers war trotz des schwachen Lichtscheins gut zu erkennen, als Guntram den Strick um seine Taille löste und mit gekonnten Griffen die Handgelenke des Vogts fesselte, um ihn anschließend daran hochzuziehen.
    »Wie viele Männer befinden sich im Haus?«, fragte Guntram leise, als sein Gefangener zitternd neben ihm stand. »Und vorsichtig! Ich will keine Lügen hören«, fügte er warnend hinzu und hielt dem Vogt das Messer dicht vor die immer noch weit aufgerissenen Augen.
    Von Hadersgraben nickte hastig und gab ein dumpfes Gemurmel von sich, woraufhin Guntram die gefesselten Hände des Vogts hochriss und der Mann neun Finger abspreizte.
    »Alle hier oben?«
    Dieses Mal hielt er zwei Finger hoch, und der junge Mann atmete erleichtert auf. Als er ein leises Plätschern hörte, starrte er ungläubig nach unten und trat dann hastig einen Schritt zurück. In den Ausdruck von Panik, der in die Augen des Vogts trat, mischte sich eine Spur Verlegenheit.
    »Eine neue Erfahrung für dich, was? Aber keine Angst, es ist gleich vorbei. Du erinnerst dich doch an mich?«
    Der Vogt nickte hastig.
    »Das ist gut, denn ich habe dich auch nicht vergessen, ebenso wenig, wie ich meine Frau vergessen habe«, zischte Guntram ihm leise zu. »Welches ist das Zimmer mit dem Fenster, das in die Mauer eingelassen ist?«
    Der Vogt wies mit dem Kopf nach rechts, und Guntram nickte grimmig, denn genau das hatte er erwartet. Jetzt gab es nur noch das Problem mit den Wachen. Wenn ihn das Glück nicht verließ, würden die beiden selig vor der Tür schlummern. Die
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