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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters
Autoren: Marion Henneberg
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Burg wurde belagert und war mit dreihundert Mann Besatzung gut bestückt, so dass die Wache vor dem Gemach des Vogts mit Sicherheit leicht nachlässig war.
    Doch erst kümmerte er sich um seinen Gefangenen, der nackt und zitternd, mit einer nassen Spur an den Innenseiten seiner Beine und hängendem Kopf vor ihm stand. Nachdem er den Burgverwalter mit einem Streifen seines Lakens an einen der Stühle gefesselt hatte, schlich Guntram zur Tür und atmete tief durch, bevor er sie vorsichtig öffnete. Das leise Knarren ließ ihn zusammenfahren, denn es klang in der nächtlichen Stille unangenehm laut – doch nichts regte sich.
    Er inspizierte die ins Mauerwerk eingelassene schmale Nische unterhalb der Fensteröffnung, in der eine kleine Öllampe stand. Das runde, flache Gefäß war nur von einem zaghaften Licht umgeben, in dessen fahlem Schein direkt neben der Zimmertür einer der beiden Wachleute tief und fest schlummerte. Der junge Soldat saß zusammengesunken auf dem Boden, den Kopf auf der Brust, die Beine lang in den Flur ausgestreckt. Von dem zweiten Mann war leider keine Spur zu sehen.
    Guntram spürte, wie eine leichte Unruhe in ihm aufkeimte. Die Zeit lief ihm davon, und er musste schnell handeln, wenn er sein Vorhaben in die Tat umsetzen wollte. Mitten in seine Überlegungen hinein erklang wie aus heiterem Himmel ein Röcheln, verbunden mit einem tiefen Luftschnappen aus der hinteren Ecke des Ganges, und Guntram schloss für einen Moment erleichtert die Augen. Der schlafende Mann sollte offensichtlich unerwünschteBesucher direkt an der Treppe abfangen. Pech für ihn, dachte der blonde Hüne und grinste in sich hinein.
    Mit einem raschen Blick über die Schulter stellte er sicher, dass der Verwalter weiterhin schicksalsergeben auf seinem Stuhl saß. Nackte Angst war in seinen tränennassen Augen zu sehen, und Guntram wendete sich angewidert ab. Dieser Mann verdiente sein Mitleid ganz bestimmt nicht, im Gegensatz zu den beiden im Flur, doch etwaige Schuldgefühle konnte sich der nächtliche Eindringling nicht erlauben.
    Einen kurzen Augenblick blitzte eine Klinge in Guntrams Hand auf, mit der er gleich darauf mit einem sauberen Schnitt die Kehle des dicht neben der Tür an der Wand lehnenden Mannes durchtrennte. Sicherheitshalber drückte der Eindringling ihm mit der freien Hand den Mund zu, da riss der Soldat die Augen auf, und fast zeitgleich ertönte ein Donnerschlag, als wollte der Himmel seinen Unmut über die Tat zum Ausdruck bringen. Dann brach der Blick des jungen Mannes. Guntram fing den seitlich kippenden Körper auf und legte ihn sachte auf den Boden, auf den bereits das Blut in einem dünnen Rinnsal tropfte.
    Lautlos huschte der Mörder über den Gang, dankbar, dass der andere Wachposten immer noch schnarchte. Die Männer im unteren Stockwerk schienen ihre Wache deutlich ernster zu nehmen, denn leises Stimmengemurmel war zu hören. Wie erstarrt blieb Guntram in dem schummrigen Flur stehen und wartete reglos. Trotz des undeutlichen Geflüsters drang kein Licht von unten herauf, und schließlich erstarben auch die Geräusche. Dennoch verharrte der Eindringling noch ein paar Minuten, bis er sich weiterwagte.
    Guntram befand sich noch ungefähr zwei Meter vondem schlafenden Posten entfernt, als der Mann sich plötzlich regte. Im selben Moment erhellte ein besonders kräftiger Blitz den Gang und gab den Blick auf die halb geöffneten Augen des Soldaten frei. Einen Wimpernschlag später war es mit dessen Schlaftrunkenheit vorbei. Während der Wachposten versuchte, sich vom Boden aufzurappeln, griff er nach seinem Messer und öffnete den Mund zu einem Schrei. Doch seiner Kehle entrang sich nur noch ein undefinierbares Gurgeln, als Guntram ihm die spitze Klinge mit einem kräftigen Stoß schräg von oben in den aufgerissenen Rachen stieß.
    Der Bauer versuchte, den Schwung seines eigenen Sprungs abzufangen und gleichzeitig den schweren Körper des Mannes lautlos zu Boden gleiten zu lassen. Es gelang ihm nicht ganz, und wieder wartete er mit klopfendem Herzen darauf, dass sieben schwer bewaffnete Männer die Treppe hochstürmten.
    Aber nichts geschah.
    Das Gewitter schien sich zu entfernen, und der nächtliche Besucher eilte geräuschlos zum königlichen Gemach zurück, um die Sache endlich zu Ende zu bringen.
    Nachdem er den Vogt von dem Stuhl losgebunden hatte, setzte er ihm erneut die Spitze seines Messers an die Kehle. »Du gehst jetzt schön brav vor mir her. Solltest du mit den Füßen auf den Boden
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