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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters
Autoren: Marion Henneberg
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stampfen oder andere unschöne Dinge tun, steche ich dich ab wie ein Schwein«, zischte Guntram.
    Schweiß rann von der Stirn über die runden Wangen des Verwalters, als er eilig nickte.
    Ohne Schwierigkeiten gelangten sie in den Raum nebenan, und der blonde Hüne schob seinen Gefangenen bis zur Fensteröffnung vor sich her. Die Sichel des Mondes war von schnell vorbeiziehenden Wolkenfetzen immer wieder verdeckt und spendete dadurch nur unzureichendLicht. Vereinzelt leuchteten in einiger Entfernung Blitze am schwarzen Himmel auf, sonst blieb es finster. Guntram spürte, wie der sorgsam gehegte Hass der letzten Monate sich Bahn zu brechen versuchte und die Hoffnungslosigkeit, die seit dem Tod seiner Frau von ihm Besitz ergriffen hatte, in ihm explodierte.
    »Für Imma, du Mistkerl! Fahr zur Hölle!«, spie er dem Verwalter in mühsam unterdrückter Wut entgegen und genoss für den Bruchteil einer Sekunde die bodenlose Angst, die sich auf dem feisten Gesicht des Mannes spiegelte, als er merkte, welches Schicksal ihm bevorstand.
    Mit einem Mal breitete sich eine vollkommene Ruhe in Guntram aus, als er den zappelnden Körper des Verwalters gegen den kalten Stein der Mauer drückte. Gelassen steckte er das Messer weg und schritt zur Tat. Erchanger von Hadersgraben war zwar nicht gerade klein und schmächtig, konnte jedoch gegen den in jahrelanger harter Arbeit gestählten Körper des Bauern nichts ausrichten. In aller Seelenruhe bückte Guntram sich und packte den Vogt mit beiden Händen an den Fußknöcheln, stemmte den schweren Körper mit einiger Kraftanstrengung hoch und warf ihn durch die dicke Maueröffnung. Die Schwärze der Nacht verschluckte den massigen Körper sofort. Trotz des immer noch starken Windes war gleich darauf ein dumpfer Aufprall zu hören, und endlich empfand Guntram die tiefe Genugtuung, auf die er so lange hatte warten müssen. Die Anspannung fiel von ihm ab wie ein locker über den Schultern liegendes Tuch, und er lehnte sich erschöpft gegen die kühle Wand.
    Er wusste nicht, wie lange er dort gestanden hatte, den Kopf angenehm leer, endlich ohne diese unbändige Wut. Schließlich riss er sich zusammen und verließ den Raumin Richtung Tür. Die Leichtigkeit der letzten Stunden war wie weggeblasen, und jeder Schritt fiel ihm schwer. Der Gang lag noch immer völlig ruhig im schummrigen Licht der kleinen Lampe da, und hätten nicht die beiden Leichen am Boden gelegen, wäre die Stimmung fast friedlich zu nennen gewesen.
    Erst viel später, als Guntram ohne weitere Zwischenfälle die Burg verlassen hatte und durch den lang ersehnten Regen zur Siedlung hinablief, wurde ihm mit einem Mal bewusst, dass er endlich an sein weiteres Leben denken konnte.
    Mit einem nachdenklichen Blick in Richtung des Hauses, in dem Irmingard und ihre Eltern schliefen, zog er die schiefe Tür zum Schuppen hinter sich zu und fiel gleich darauf in einen traumlosen Schlaf.

22. KAPITEL
    Z wei Monate, nachdem Henrika und Randolf bei ihrem Eintreffen in Goslar von Betlindis’ Tod erfahren hatten, setzte sich Clemens zu seiner Tochter, die im Garten hinter dem Haus auf der Bank saß und die warmen Strahlen der Oktobersonne genoss. Mit besorgter Miene betrachtete er ihre tiefliegenden Augen, die von vielen durchwachten Nächten herrührten, und strich ihr sanft über die Wange. Seit wenigen Augenblicken wusste er, dass nicht nur seine Tochter unter der ganzen Situation litt.
    »Herr Randolf hat mich aufgesucht«, teilte er Henrika mit wachsamem Blick mit und zuckte unmerklich zusammen, als sie unerwartet aufsprang.
    »Ist er schon wieder fort? Hat er etwa nicht nach mir gefragt?«
    »Ja, er ist bereits gegangen, und nein, er hat nicht nach dir gefragt.«
    Henrika versuchte erst gar nicht, ihre Enttäuschung zu verbergen, denn es war ihr gleichgültig, was ihr Vater darüber dachte. Willenlos ließ sie sich zurück auf die Bank ziehen und verfiel wieder in brütendes Schweigen.
    Schließlich unternahm ihr Vater einen neuen Versuch. »Es wundert mich sowieso, wie er bei all den Verhandlungen überhaupt Zeit gefunden hat, hierher zu kommen. Es interessiert dich sicher, dass sich die Gespräche nach anfänglichen Schwierigkeiten gut entwickeln. ObwohlHerr Randolf noch nicht von einer friedlichen Lösung überzeugt scheint, jedenfalls kommt es mir so vor.«
    Gleichgültig zuckte Henrika mit den Schultern. Natürlich freute es sie, wenn es nicht zu weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen kam und beide Parteien sich friedlich
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