Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin

Titel: Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
Autoren: Torsten Fink
Vom Netzwerk:
vielleicht hat er…«, stotterte er, aber er brachte seinen Satz nicht zu Ende.
    »Ich kenne viele Geschichten aus alter Zeit«, sagte der Seiler langsam, »von Auwara-Urteilen, die angefochten wurden. Doch noch nie, niemals, hat das Schilf dreimal die gleiche Antwort gegeben.«

    »Dhanis hat mir die Hand geführt«, sagte der Edaling trotzig.
    »Mach dich nicht lächerlich«, schnaubte der Alte, dann stockte er und blickte sich um. »Riecht ihr das?«, fragte er leise.
    Die anderen beiden hoben den Kopf. Ein leichter, süßlicher Verwesungsgeruch wehte durch den Raum. Der Seiler nahm die plumpe Kerze und hob sie an. Die Flamme flackerte unruhig, und die Schatten im Versammlungshaus zogen sich ein wenig zurück. War dort jemand? Alle drei starrten in die dämmrigen Winkel des Hauses, aber dort war niemand zu entdecken.

Schirqu
    Die Toten berichten, dass es in ihrer Stadt Ud-Sror eine Straße aus kochendem Pech gebe. Dort wandeln die verfluchten Seelen der Grabschänder.
     
Abeq Mahas, Das Totenreich Uos
     
     
     
    Ein Reiter kam den langen Weg von Süden herauf. Schwerer Regen ging seit Stunden nieder, und der schwarze Mantel des Mannes war völlig durchnässt. Jetzt hatte er etwas entdeckt, das ihn auf einen trockenen Platz hoffen ließ. Natürlich hätte er auch im Wald rasten können, der sich schon eine ganze Weile zu seiner Linken ausbreitete, aber er war ein Kind der Steppe, und Wälder gefielen ihm nicht. Unsichtbare Feinde mochten darin lauern, Menschen, Wölfe. Ein gemauertes Bauwerk mit freiem Blickfeld nach allen Seiten war sicherer. Jetzt war er fast dort. Er zügelte sein Pferd. Vor ihm ragte die Ruine eines Tempels in den dunkelgrauen Himmel. Tief hängende Wolken tauchten das Land in fahles Zwielicht. Sein Tier schnaubte unruhig. Er streichelte es beruhigend am Hals und öffnete die Bänder des Halfters, in dem seine lange Lanze steckte. Donner grollte. Der Reiter warf seinen langen Reitmantel zurück und tastete nach dem Griff seines Sichelschwertes. Er war jung und trug sein langes Haar zu einem Zopf gebunden, wie es bei seinem Volk üblich war. Das Pferd tänzelte. Der Steppenreiter schnalzte mit der Zunge und gab seinem
Tier leicht die Fersen. In weitem Bogen umrundeten sie den Tempel, ohne dass der Reiter das zerfallene Mauerwerk auch nur eine Sekunde aus den Augen ließ. Es war einst ein Schirqu, ein Stufentempel gewesen, einer der bescheidenen Art, bei dem die oberen Stockwerke nur angedeutet waren und in denen die vier Hüter in einem einzigen Raum im Erdgeschoss verehrt wurden. Die falschen Stockwerke waren wohl schon vor vielen Jahren eingestürzt und hatten große Teile des eigentlichen Daches und eine Außenwand vollständig zerstört. Regen fiel durch die löchrige Decke in den verlassenen Götterraum, und dichtes Buschwerk wuchs aus den geborstenen Mauerresten. Der Reiter nahm die Lanze aus dem Halfter und beugte sich vor, um in den Tempel hineinzuspähen. Der hintere Bereich der Ruine lag in tiefen Schatten. Der Reiter schlug seine Kapuze zurück. Sein Pferd war immer noch unruhig. Er nahm seinen Schild vom Rücken und streifte ihn über den linken Arm. Vorsichtig ritt er näher an den verdunkelten Teil des Tempels heran. Bewegte sich dort etwas? Der Reiter ließ sein Pferd rückwärtsgehen und behielt den finsteren Raum im Auge. Dann wendete er sein Tier und umrundete den Tempel ein zweites Mal. Der Schirqu lag an einer Weggabelung. Ein Weg führte von Norden nach Süden, der andere bog nach Westen ab. Der Reiter suchte auf dem durchweichten Boden nach Spuren, aber dort war nichts zu sehen, außer den Tritten seines eigenen Pferdes. Er war unschlüssig. Er griff nach seinem Helm mit der furchterregenden Kriegsmaske, der am Sattel festgebunden war, ließ ihn dann aber doch dort hängen. Im Schritt umrundete er die Ruine ein drittes Mal, spähte erfolglos nach verräterischen Zeichen. Dann hielt er sein Pferd wieder an. Vor ihm klaffte der dunkle Eingang der Ruine. Sein Tier schnaubte. Er hieß es, still zu stehen, und legte sich die Lanze auf den Arm. Er war weit genug vom Tempel entfernt, um sein Tier für einen Angriff in Galopp zu versetzen, und er hatte genug Platz für einen schnellen Rückzug. Es war die vollkommene
Ausgangsstellung für einen Kampf. Er lauschte. Unbewegt wie ein Standbild verharrten er und sein Tier im strömenden Regen. Ein Geräusch erklang aus den Schatten des Tempels. Es war der Huftritt eines Pferdes.
    Der Reiter nahm seine Zügel fester und schüttelte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher