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Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin

Titel: Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
Autoren: Torsten Fink
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Widerspruch fügen und auch niemandem beistehen, der dieses versucht. Vielleicht können wir so den Zwist gering halten. Aber geben wird es ihn, da könnt ihr sicher sein.«
    »Immer siehst du schwarz«, rief der Jüngste verächtlich.
    Der Weißhaarige blickte ihn scharf an: »Bedenke dies, würdiger Edaling dieses Dorfes; nicht ich bin es, der morgen das Los ziehen wird, sondern du! Deine Hand wird eines unserer Kinder zum Tode verurteilen. Du wirst morgen Abend wenigstens einen Feind mehr haben.«
    »Ich bin nur die ausführende Hand, ein Diener der Mächte. Das Schicksal entscheidet, wen das Los treffen wird!«, erwiderte der Edaling mit seltsamem Stolz.
    »Ich frage mich«, sagte der Graue langsam, »ob es nicht doch einen Weg gibt, all dies zu vermeiden.«
    »Ich sehe keinen, alter Freund«, sagte der Seiler niedergeschlagen, »aber vielleicht findest du einen in dieser Finsternis.«
    »Es wäre das erste Mal, dass ich dich darin überträfe«, erwiderte der andere lächelnd. Dann wurde er wieder ernst, zögerte kurz und sagte dann aber: »Wir könnten eine Fremde zum Opfer bestimmen.«
    Einen Augenblick war es still im Versammlungshaus. Nur der Regen rauschte auf das Schilfdach. Die Kerze flackerte unruhig. Sie würde sich bald verzehrt haben.
    Der Weißhaarige schüttelte den Kopf. »Unsere Vorfahren haben dem abgeschworen. Keine Fremde soll für unseren Fluch büßen.«
    »Es ist auch gar nicht gesagt, dass das Opfer angenommen wird, wenn es nicht aus unserem Dorf stammt«, wandte der Edaling ein. Es klang übereifrig.
    »Und ist denn gesagt, dass die Erwachte eines unserer Mädchen als Opfer annimmt?«, entgegnete der Grauhaarige scharf.
    »Es ist doch auch gleich«, sagte der alte Seiler, und er klang sehr müde, »es gibt keine Fremden in unserem Dorf. Also wird eines unserer Kinder sterben müssen.«
    Die drei Männer starrten schweigend in die zitternde Flamme. Die Entscheidung war gefallen, jetzt mussten sie nach Hause gehen und versuchen, damit zu leben. Aber keiner von ihnen wollte die Zusammenkunft beenden. Es war, als hofften sie, dass doch noch, von irgendwoher, Rettung käme. Sie lauschten dem stetigen Regen und hingen ihren düsteren Gedanken nach.
    Plötzlich hob der Weißhaarige den Kopf: »Lasst uns etwas versuchen, Männer!« Er klang entschlossen und begann die Schilfhalme aufzusammeln.
    »Was hast du vor?«, fragte der junge Edaling misstrauisch.
    »Wir fragen das Auwara noch einmal.«
    »Das ist gegen den Brauch!«, widersprach der Jüngste aufgebracht.
    »Was erhoffst du dir davon?«, fragte der zweite Älteste erstaunt.
    »Warte es ab«, sagte der Weißhaarige. Er drückte dem Edaling die Halme in die Hand und reichte ihm das weiße Tuch. »Hier. Das ist deine Aufgabe, Edaling.«
    »Aber das ist gegen jede Sitte«, stotterte der.
    »Das Urteil kann hinterfragt werden«, erklärte der Grauhaarige bedächtig.
    »Tu es einfach!«, drängte der Weiße.
    »Aber …«
    »Tu es!«, donnerte der Seiler.

    Der Edaling zuckte zusammen. »Ich tue es, aber nur... dir zuliebe«, stotterte er.
    Der Grauhaarige seufzte und tauschte einen vielsagenden Blick mit dem Seiler. Es war offensichtlich, dass sie beide nicht viel vom Edaling hielten. Der faltete mit zitternden Fingern die Ecken des Tuches zusammen, ließ die Halme auf die kleine freie Fläche in der Mitte fallen und hob den Stoff vorsichtig an. Dann ließ er das Schilf im Tuch mit sanften Bewegungen tanzen und murmelte ein Gebet, in dem er die Ahnen und den Flussgott Dhanis bat, ihm die Hand beim Auwara zu führen. Er legte das Tuch ab. Die beiden Ältesten übernahmen die Enden und öffneten sie ein wenig. Der Edaling schloss die Augen. Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn. Er leckte sich nervös die Lippen, wiederholte seine Bitte an Dhanis, dann steckte er die Hand in das Tuch und zog drei Halme heraus.
    Er öffnete erst die Augen und dann seine Hand. Die drei Schilfrohrstücke zeigten ihre Zeichen.
    Der Edaling wurde blass.
    »Das ist unmöglich«, flüsterte der Grauhaarige.
    »Noch einmal«, forderte der alte Seiler.
    Sie wiederholten die Zeremonie Schritt für Schritt. Am Ende öffnete der Edaling seine verschwitzte Hand und zeigte die drei Halme, die er gezogen hatte. Die drei Männer schwiegen betroffen. Die Halme zeigten Schlange, Boot und Mädchen.
    »Das kann nicht sein«, sagte der Graue tonlos.
    Der Edaling schluckte. »Aber, kann es nicht sein, ist es nicht möglich, dass Dhanis selbst will, dass wir... ich meine...
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