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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs
Autoren: Barbara Erskine
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gestorben. Er war sehr alt.« Sie lächelte traurig. »Mein wunderbarer Geliebter. Danach bin ich dort geblieben, es war mein Zuhause. Wohin sollte ich sonst gehen? Ich war dort in den Bergen als Heilerin und Einsiedlerin bekannt. Dann kamen noch andere Leute, sie errichteten ihre kleinen Häuser innerhalb der Mauern, und schließlich bauten wir eine Kapelle, damit wir gemeinsam beten konnten. Aber es dauerte noch sehr viele Jahre, ehe die Verehrung Christi mehr Verbreitung fand.«
     
    Ein paar Tage später fuhren Rhodri und Jess nach Llanigon und besuchten den kleinen Friedhof, der am Ort von Eigons letztem Zuhause lag. Sie gingen um die uralte Kirche und die noch ältere Friedhofsmauer und legten einige Blumen auf einen Haufen moosüberwachsener Steine. Aus der Ferne hörten sie das Rauschen eines Wildbachs.
    In der Nacht kam sie wieder zu Jess, und zum ersten Mal sah sie Eigon als alte Frau.
    »Du hast nie herausgefunden, was mit Togo und Glads passiert ist?«, fragte Jess schließlich.
    »Nein.«
    »Togo liegt dort oben unter den Steinen. Ich bin mir sicher, dass er es ist. Ich habe Blumen neben sein Skelett gelegt.« Jess spürte, wie ihre Tränen aufs Kissen tropften.

    Eigon schloss die Augen.
    »Willst du, dass wir ihn umbetten? Sollen wir ihn beerdigen?«
    War das ein Nicken? Jess setzte sich im Bett auf. »Möchtest du, dass er ein christliches Begräbnis bekommt?«
     
    Sie baten keinen Leichenbeschauer, das winzige Skelett zu untersuchen. Zwei Wochen, nachdem William im geliebten Cornwall seiner Eltern beigesetzt worden war, hielt Megans Cousin aus Brecon, ein achtzigjähriger Vikar mit klaren grünen Augen, einem weißen Haarschopf und einem scharfen Verstand, einen Trauergottesdienst für den kleinen Jungen, den sie feierlich den Berg hinuntergetragen hatten, die Knochen sorgsam in eine kleine Kiste aus Eibenholz gelegt. Das Grab wurde in Ty Bran am Berg hinter dem Obstgarten ausgehoben, mit Blick auf das Tal, in der Nähe der Stelle, wo im Jahre des Herrn 65 Commios und Drusilla, zwei christliche römische Bürger, Arm in Arm begraben worden waren. Der Vikar sprach Gebete auch für sie. Sollten wegen der Beisetzung jemals Fragen erhoben werden, sagte er, würde er unter Verweis auf seine Senilität jede Erinnerung an das Geschehen leugnen. Es war ein heißer, windstiller Tag. Von den Bussarden und Raben von Ty Bran war an dem Tag nichts zu sehen. Sie überhäuften das Grab mit Blumen.
    Damit blieb nur noch Glads.
     
    Meryn war für die Beisetzung zurückgekommen. Als dann später die Sonne glühend rot und golden unterging, stand er vor dem Haus und schaute ins Tal. Rhodri kam zu ihm. »Heute Nachmittag hat Jess Glads wieder rufen hören.«
    Meryn nickte. »Sie ist eine gequälte Seele.«
    »Spürt sie, dass ihr Bruder zur letzten Ruhe gebettet wurde?«

    »Ich glaube schon.«
    »Gibt es eine Möglichkeit, ihren Zorn zu besänftigen?«
    Meryn machte ein nachdenkliches Gesicht. »Das muss getan werden. Wenn diese Menschen jemals ihren Frieden hier haben wollen, wenn Steph ohne Angst allein in diesem Haus wohnen bleiben will, dann muss sie neutralisiert werden.« Er verschränkte die Arme und beobachtete, wie die Sonne in den dunstigen Horizont eintauchte. »Ich habe eine Idee. Sie ist natürlich keine Christin.« Ebenso wenig wie Meryn. Er hatte die Beisetzung am Nachmittag beobachtet und auf seine eigene Art seine eigenen Gebete gesprochen, hatte wachsam am Rand gestanden, damit kein umherirrendes Böses den heiligen Ort des Grabes betreten sollte. Das war nicht passiert.
    Er lächelte. »Ich möchte mich kurz mit einer Kollegin beraten. Am besten im Atelier.«
    Sie füllten den Raum mit Blumen, und Steph bestand darauf, Weihrauch abzubrennen. Es roch exotisch, als Meryn allein im schattenhaften Dämmerlicht des Ateliers zurückblieb. Jemand hatte eine Kerze brennen lassen. Sie warf genügend Licht, um Umrisse erkennen zu lassen.
    »Marcia?« Er sprach mit lauter Stimme. »Ich weiß, ich sagte, ich hätte nur einen letzten Gefallen, und ich weiß, selbst damit habe ich zu viel erbeten, aber ich brauche Rat.«
    Er verstummte und lauschte. Er spürte niemanden in der Nähe. Enttäuscht unternahm er einen weiteren Versuch. »Die Seele von Gwladys, der Tochter Caradocs, wandert durch die Berge und ist mit Elend und Hass erfüllt. Wir möchten, dass sie leichten Herzens zum Land der ewigen Jugend wandert oder, wenn sie das nicht möchte, dass sie bei der Seele ihres Bruders in Frieden ruht.«
    Plötzlich
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