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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs
Autoren: Barbara Erskine
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brannte der Weihrauch heller, das glühende Lavendel-Zedern-Räucherstäbchen, das Aurelia aus Frankreich
mitgebracht hatte, glühte auf, als sei Zugluft aufgekommen. Meryn sah, wie eine Rauchspirale im Raum aufstieg. Die Kerzenflamme flackerte. Dann hörte er die Stimme.
    Spiel mit mir. Komm, spiel mit mir. Bitte.
    »Du bist jetzt zu alt, um zu spielen, Glads.« Meryns Stimme klang in dem dämmrigen Raum merkwürdig laut. »Du bist zu einer Frau herangewachsen, du weißt jetzt, dass Eigon und deine Mutter und dein Vater dich nicht im Stich gelassen haben. Sie haben ihr Bestes getan. Deine Eltern haben ihr Leben lang um dich getrauert. Und Eigon ist zurückgekommen, um nach dir zu suchen. Trotz allem, was sie durchgemacht hatte, ist sie zurückgekommen und hat nach dir gesucht.« Er machte eine kurze Pause und sah sich um. »Sag mir, wie ich dir helfen kann, in Frieden zu ruhen, Glads.«
    Die Kerze flackerte wieder.
    »Eigon hat eine Botschaft des Friedens und der Liebe in dieses Tal gebracht. Sie hat nach dir gesucht. Sie wollte dich so gern finden. Kannst du das annehmen? Kannst du Ruhe finden?«
    Lange Zeit herrschte Stille. Er spürte, dass sie nachdachte. Schließlich sprach sie wieder.
    Vergrabt meine Puppe mit Togo. Ich gehe mit Marcia spielen! Jetzt war die Stimme älter, kräftiger. Mir gefällt es in diesem Tal nicht mehr!
    Meryn lächelte düster. »Danke, Marcia Maximilla. Ich hoffe, sie gereicht Euch zur Ehre«, sagte er ruhig. »Und ich hoffe, dass Ihr und ich uns eines Tages in den anderen Sphären begegnen. Ich bin Euch etwas schuldig!«
    Er blies die Kerze aus und verließ das Atelier, ging langsam über den Hof und betrat die Küche. Dort saßen die anderen, sie hatten gerade eine Flasche Champagner geöffnet.

    »Ash hat seine Prüfungen mit Bravour bestanden!« Jess drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Einer meiner begabtesten Schüler. Mein Exchef hat mich gerade angerufen, um mir das mitzuteilen.«
    Lächelnd nahm Meryn von Aurelia ein Glas entgegen und hob es zum Trinkspruch. »Auf ferne Freunde.« Darauf stießen alle gern an. »Und ich hoffe auf die Erneuerung unserer alten Bekanntschaft«, sagte er mit einem Blick zu Aurelia. »Ich würde eines Tages gern dein französisches Versteck besuchen, wenn du gestattest? Und noch eins.« Mit einem breiten Lächeln schaute er zu Rhodri. »Auf das glückliche Paar.«
    Rhodri grinste. »Moment mal! Ich habe sie doch noch gar nicht gefragt.« In gespielter Verzweiflung schaute er sich um. »Das ist wirklich das Problem, wenn man ein Medium im Haus hat. Die wissen doch immer, was als Nächstes passieren wird!«

Anmerkung der Autorin
    D ie historische Quellenlage für Eigons Existenz ist alles andere als eindeutig. Wir wissen nicht, wer sie war, ja nicht einmal, ob sie überhaupt existiert hat …
    Aufmerksam wurde ich auf sie, als mein Vater vor gut vierzig Jahren ein Cottage in der Gemeinde Llanigon im Südosten von Wales kaufte. Sehr bald fragten wir uns, wer - oder was - Eigon war. Darauf wusste der Kirchenführer Antwort, oder vielmehr: zwei Antworten. Es gibt nämlich zwei Theorien. Entweder war er ein Bischof, oder sie war die Tochter des großen Waliser Helden Caratacus. Wie Sie sich denken können, sprach mich die zweite Variante weit mehr an.
    Aber sofort tauchte die nächste Frage auf: Wenn Caratacus eine Tochter namens Eigon hatte und wenn sie, wie wir aus der Geschichtsschreibung wissen, als Gefangene nach Rom gebracht wurde, wie kam sie dann dazu, Schutzpatronin einer uralten Kirche an der Waliser Grenze zu sein, dreihundert Jahre, bevor die Christianisierung der britischen Inseln offiziell begann? Das war die Frage, die den Anstoß zu diesem Buch gab. Meine Neugier wurde noch weiter geweckt durch eine großartig gerahmte Radierung von Füsslis Gemälde Caractacus beim Tribunal des Claudius in Rom , die seit Jahren vor meinem Arbeitszimmer im Flur hängt. Auf dem Bild wird Caratacus als edler Krieger
dargestellt, eine Hand ist in Ketten gefesselt, mit wildem Schnurrbart und eherner Stirn steht er vor dem Kaiser. Seine Tochter und seine Frau und selbst Kaiserin Agrippina scheinen allesamt einer Ohnmacht oder zumindest einem Schwächeanfall nahe. Ich muss zugeben, das Bild ist nicht ganz nach meinem Geschmack, aber für mich ist es von zweifachem Interesse: zum einen, weil es ein Abbild Eigons zeigt und eine dramatische Geschichte schildert, zum anderen aber auch, weil der Radierer mein Urururgroßvater war: Andrew Birrell. Ich musste
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