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Inspector Banks kehrt heim

Titel: Inspector Banks kehrt heim
Autoren: Peter Robinson
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* Sommerregen
    Eine Inspector-Banks-Geschichte
     
    * 1
     
    »Wie oft sind Sie denn nun gestorben, Mr Singer?«
      »Vierzehnmal. Das heißt, ich habe bis jetzt vierzehn herausgefunden. Jeder Mensch wird ungefähr zwanzigmal wiedergeboren, sagt man. Aber ich spreche nur von meinem letzten Leben. Verstehen Sie, ich starb eines gewaltsamen Todes. Ich wurde ermordet.«
      Detective Constable Susan Gay notierte etwas auf dem vor ihr liegenden Block. Dabei fiel ihr auf, dass sie in den wenigen Minuten, die sie nun mit Jerry Singer gesprochen hatte, Kreise und Kringel gemalt hatte, ein wirres Gekritzel.
      Sie bemühte sich, ihre Skepsis zu verbergen. »Aha. Und wann war das?«
      »1966, im Juli. Das heißt, diese Woche ist es genau zweiunddreißig Jahre her.«
      »Verstehe.«
      Jerry Singer hatte sein Alter mit einunddreißig Jahren angegeben, das würde bedeuten, dass er ein Jahr vor seiner Geburt ermordet wurde.
      »Woher wissen Sie, dass es 1966 war?«, fragte Susan.
      Singer beugte sich vor. Er machte auf Susan einen sehr zerbrechlichen Eindruck: dünn, um nicht zu sagen mager, blitzende grüne Augen hinter einer Nickelbrille.
      Er sah aus, als würde er vom kleinsten Windstoß fortgeweht. Sein rotes Haar war so dünn und fein, dass Susan an Spinnweben denken musste. Er trug eine Jeans, ein rotes T-Shirt und einen grauen Anorak, dessen Schultern dunkel vom Regen waren. Singer hatte zwar behauptet, aus San Diego zu stammen, Susan konnte jedoch nicht die geringste Sonnenbräune an ihm erkennen.
      »Das ist so«, hob Singer an. »Es gibt keinen festen Zeitraum zwischen den einzelnen Inkarnationen, aber mein Channeller hat gesagt -«
      »Ihr was?«, unterbrach ihn Susan.
      »Mein Channeller, eine Art Verbindungsperson zur Welt der Seelen.«
      »Ein Medium?«
      »Nicht ganz.« Singer rang sich ein dünnes Lächeln ab. »Aber so ähnlich. Eher eine Mittlerin, würde ich sagen.«
      »Aha, verstehe«, sagte Susan, obwohl sie gar nichts verstand. »Weiter!«
      »Also, sie hat mir gesagt, dass zwischen meinem letzten Leben und meinem jetzigen ein Zeitraum von ungefähr einem Jahr liegt.«
      »Woher weiß sie das?«
      »Sie weiß es halt. Das ist von Seele zu Seele unterschiedlich. Manche brauchen viel Zeit, um ihre Erfahrungen zu verarbeiten und Pläne für die nächste Inkarnation zu machen. Andere Seelen wiederum können es gar nicht erwarten, in einem neuen Körper zu wohnen.« Jeff Singer zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ist man nach mehreren Leben auch einfach mal müde und braucht eine kleine Pause.«
      Nach Tagen wie diesem auch, dachte Susan. »In Ordnung«, sagte sie, »machen wir weiter. Sind Sie zum ersten Mal in Yorkshire?«
      »Ich bin zum ersten Mal überhaupt in England. Ich habe gerade meinen Abschluss in Zahnmedizin gemacht und wollte mir noch etwas gönnen, bevor es mit dem täglichen Trott losgeht.«
      Susan staunte. War das ein Witz gewesen? Singer lachte nicht. Ein esoterischer Zahnarzt, na, das war ja mal was Neues. Darf ich Ihnen beim Bohren die Tarot-karten deuten? Möchten Sie vielleicht eine kleine Reise zum Neptun machen, während ich die Wurzelfüllung vornehme? Susan musste sich zusammenreißen, um weiter mit ernster Miene zuzuhören.
      »Verstehen Sie«, fuhr er fort, »da ich ja noch nie hier war, muss es so gewesen sein, nicht wahr?«
      Susan merkte, dass sie etwas verpasst hatte. »Bitte?«
      »Es kam mir alles so bekannt vor, die Landschaft, alles. Das ist nicht einfach nur ein Dejä-vu-Erlebnis. Ich habe da auch so einen Traum. Bei der hypnotischen Rückführung sind wir noch nicht so weit, deshalb -«
      Susan hob die Hand. »Moment mal kurz! Ich komme nicht mehr mit. Was kam Ihnen so bekannt vor?«
      »Ach, ich dachte, das hätte ich bereits erklärt.«
      »Mir nicht.«
      »Der Ort. Wo ich ermordet wurde. Das war hier in der Nähe, in Swainsdale.«
     
     
    * 2
     
    Mit den Füßen auf dem Schreibtisch und einem dicken Lederordner auf dem Schoß saß Banks in seinem Büro, als Susan Gay den Kopf zur Tür hereinsteckte. Banks hatte den obersten Hemdknopf geöffnet, seine Krawatte hing schief.
      Eigentlich hätte er an der monatlichen Kriminalitätsstatistik arbeiten müssen, aber er lauschte lieber dem Sommerregen hinter dem angelehnten Fenster. Er harmonierte wunderbar mit Michael Nymons Soundtrack von Das Piano, der leise auf dem Walkman lief. Banks hatte die Augen geschlossen, träumte von Wellen, die
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