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Die Terranauten TB 08 - Die graue Spur

Die Terranauten TB 08 - Die graue Spur

Titel: Die Terranauten TB 08 - Die graue Spur
Autoren: Robert Quint
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der dort im Dom von Lunaport verehrt wurde, war der Gott der Perfektion, und die Raumschiffe brachten interstellaren Archen gleich die Novizen zur Taufe ins Sonnensystem. Junge Männer und junge Frauen aus allen Teilen des Sternenreiches, die in den Orden der Grauen Garden aufgenommen worden waren und auf Limaport die letzte Weihe erhielten. Und ich sah noch mehr, Gesichter in rascher, schwindelerregender Folge wechseln. Ich sah die Gesichter vor mir, so blaß von den Anästhetika, so schmal im kalten, grellen Licht des Operationssaales tief im Bauch des Mondes. Und ich sah, wie ich Knöpfe drückte und wie der Computerchirurg mit Mikrosonden Kopfhaut und Schädeldecke der Patienten durchdrang und dort mit winzigen Laserskalpellen Nervenfasern durchtrennte. Gewebeknoten verschmorte.
    Ich verfolgte über die Spezialmonitore die Injektion der hormonregulierenden Pharmazeutika wie T-3 oder Lab-21, die den Gefühlshaushalt dauerhaft kanalisierten, reduzierten, schließlich blockierten. Ich legte Schalter um, und ich hörte deutlich, wie es Klick machte, ein hohler Ton, der endlos widerhallte, und bei jedem Klick schossen die Impfpistolen des Computerchirurgen neue Dosen Psychopharmaka in die Blutbahnen der Patienten. Kortikalstabilisatoren, um zu verhindern, daß die Schnitte im Gehirn heilten. Emotioblocker mit Langzeitwirkung, um die postoperative Konditionierung zu erleichtern. Künstliche RNS-Matrizen, die gezielte Proteininformationen in bestimmten Gehirnregionen ablagerten … Ich legte Schalter um, und ich drückte Knöpfe, und mit jedem Knopfdruck verwandelte ich einen denkenden, fühlenden Menschen in einen gehorsamen, gefühllosen Graugardisten, in eine Menschmaschine mit konditioniertem Bewußtsein und dem Vaterunser des Hörens und Gehorchens im Herzen.
    Ich sah Max von Valdec bei einer Rede in der Messe von Lunaport; ich sah mich mit Mitgliedern der Cosmoralität auf den Ziolkowski-Werften der irdischen Krim; ich sah mich unter der Feuerschale von Shondyke stehen und mit der Clon-Queen Mi Lai sprechen. Ich hörte Worte aus ungezählten Mündern. Ich redete und wurde angeredet. Ich schmeckte Ersatzmilch und Champagner, Steaks von den Fleischbänken Lunaports und Haxen von Schweinen, auf altmodische Art gezeugt, gewachsen und geschlachtet.
    Ich sah die Skyline von Berlin mit dem Doppelturm der Kaiser-Zentrale und den Protoppyramiden der zahllosen Konzernfilialen. Ich fühlte die Kühle seidenen Bettzeugs und die Wärme nackter Frauenhaut. Ich küßte rote Münder und blasse Münder, dünne Lippen, rauhe Lippen. Ich flüsterte Koseworte in Ohrmuscheln und brüllte Befehle in Mikrofone. Und immer wieder sah ich den Operationssaal und die bleichen Gesichter auf dem Operationstisch, und ich hörte es Klicken, und mit jedem Klicken erstarrten die weißen Gesichter zu Kristall, zu Gestein, zu grauen Masken. Ich wußte wieder, wer ich war: Horaz Gallygool, Chefoperateur im Konditionierungsstab der Grauen Garden. Ich machte Menschen zu Maschinen, und ich erhielt Geld dafür und Macht und Privilegien … Und dann – dann sah ich noch etwas: Wieder die technische, kahle Nüchternheit von Korridoren und Räumen, von Pneumoliften und Steuerzentralen, aber dieser Ort lag nicht im Sonnensystem, sondern irgendwo weit draußen in der Milchstraße. Eine Orbitalstation, beschienen vom Licht einer namenlosen Sonne, über einem namenlosen Planeten.
    Und wieder ein Operationssaal und wieder blasse Gesichter, doch diesmal waren es andere Gesichter. Nicht viele waren so jung wie die der Novizen auf Lunaport.
    Treiber, erinnerte ich mich, Treiber, die nach dem Untergang Zoes vom Konzil gefangengenommen worden waren und die man nach jahrelangem Aufenthalt auf Strafplaneten in dieses System gebracht hatte. Damit sie dort operiert wurden. Damit sie ihre Menschlichkeit verloren und zu grauen Treibern wurden, zu willigen Werkzeugen und Schatten ihrer selbst.
    Ich drückte Knöpfe, und der Computerchirurg operierte, und die Gesichter auf dem Operationstisch wechselten. Und wechselten … wechselten …
    Ich schrie und preßte die Hände gegen meine Stirn, hinter der es wie Feuer brannte, während ich mich erinnerte, immer mehr erinnerte, binnen Sekunden und Minuten die Bilder und Geschehnisse langer Jahre vor mir sah. Ich schrie, ohne aufhören zu können, und zu dem Schmerz gesellte sich die Angst, denn durch die Erinnerungen bohrte sich die Erkenntnis, daß ich Treiber gegen ihren Willen in Graue verwandelt hatte und daß ich deshalb
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