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Die Terranauten TB 08 - Die graue Spur

Die Terranauten TB 08 - Die graue Spur

Titel: Die Terranauten TB 08 - Die graue Spur
Autoren: Robert Quint
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Schiffen injiziert wurden, um die nichtpsionisch begabten Passagiere vor den Schimären des anderen Kontinuums zu schützen. Ich vermute, daß der Organsegler durch Biosynthese ein betäubendes Gas und nach Ende des Transits das entsprechende Gegenmittel erzeugte.
    Vermutungen.
    Farrell reagierte auf keine meiner diesbezüglichen Fragen, wenn er mich besuchte und mich auf das vorbereitete, was mich erwartete.
    Um die Dauer des Fluges zu bestimmen, war ich auf Schätzungen angewiesen; Schätzungen, die aufgrund meiner bewußtlosen Phasen notgedrungen ungenau sein mußten. Was mir half, das war das Wachstum meines Bartes. Davon ausgehend, tippte ich auf sechs bis acht Wochen.
    Eine lange Zeit.
    Zu lange für einen Flug zur nahen Erde.
    Wir mußten uns unterwegs zur Peripherie des einstigen Sternenreiches befinden; zweitausend oder dreitausend Lichtjahre hinaus in den Sternendschungel der Milchstraße, dorthin, wo das Dunkle Zeitalter für die abgeschnittenen, einsamen Kolonien am finstersten war.
    Ich war verwirrt.
    Wohin brachte man mich? Und warum gab man sich soviel Mühe mit mir, einem Mann, der Dutzende von Treibern im Auftrag der Cosmoralität konditioniert und in Graue verwandelt hatte? Was plante man?
    Meine Ungewißheit wuchs in den ersten Tagen der völligen Isolation zu dumpfer Depression. Ich träumte wieder, träumte häßliche Dinge von Männern und Frauen mit zerschnittenen Gehirnen, von Menschen mit Puppengesichtern und Maschinengedanken.
    Stundenlang hockte ich zusammengekauert in einem Winkel meiner fleischigen Zelle und rührte mich nicht, atmete nur, wartete nur, brütete vor mich hin. Zu anderen Zeiten tobte und fluchte ich, hämmerte mit den Fäusten gegen die weichen, warmen Wände und schrie meinen unsichtbaren Kerkermeistern Verwünschungen zu, nur um sie kurz darauf anzuflehen, sich zu zeigen, mit mir zu reden.
    Aber niemand kam.
    In regelmäßigen Abständen klaffte ein Riß in einer der Wände und spuckte meine Mahlzeit aus, einem wulstigen Mund gleich, der einen unverdaulichen Bissen auswürgt. War die Analogie nicht angenehm zu nennen, so konnte ich mich über die Verpflegung nicht beklagen.
    Henkersmahlzeiten, dachte ich bitter.
    Dann – eines Tages, als die Stoppeln an meinem Kinn, meinen Wangen sich bereits zu einem Bart entwickelten – teilte sich eine Wand, und Claude Farrell betrat meine Zelle.
    In der Hand hielt er eine weiße Kunststoffolie. Sie war eng beschrieben. Er reichte sie mir, und ich starrte sie an. Namen. Nur Namen. Ich weiß nicht mehr, wie viele es waren. Fünfzig oder sechzig vielleicht. Vielleicht auch mehr. Es waren nur Namen, aber hinter jedem dieser Namen stand unsichtbar ein Mensch.
    Ich sah auf.
    »Was soll das?« fragte ich heiser.
    »Ihre Opfer«, antwortete der Terranaut. »Die Namen der Männer und Frauen, die Namen der Treiber, die Sie im Auftrag der Garden operiert haben, Zatyr.«
    Ich schwieg. Farrell schwieg. Nervös faltete ich die Folie zusammen und steckte sie in die Brusttasche meines Autoclean-Hemdes. Als die Stille unangenehm wurde, stieß ich hervor: »Es … es tut mir leid. Ich habe nicht …«
    »Sie haben es nicht gewußt?« fragte Farrell mit gerunzelter Stirn. »Sie haben es nicht gewollt?«
    Ich verzichtete auf eine Entgegnung; Farrell war Telepath. Er mußte meinem Bewußtsein entnommen haben, daß ich gewußt hatte, was ich tat.
    »Sie haben es getan, Lence Zatyr«, erklärte Farrell schließlich. »Das ist es, was zählt. Sie haben es getan, und Sie können sich Ihrer Verantwortung nicht entziehen. Sie haben diese Treiber getötet und …«
    »Ich habe niemand getötet!« protestierte ich. Scham über das, was geschehen war, und Zorn über das, was er mir vorwarf, trieb mir das Blut ins Gesicht. »Ich bin kein Mörder! Ich habe niemand getötet!«
    »Sie haben sie getötet«, bekräftigte Farrell. »Sie haben all diese Menschen auf dem Gewissen. Sie haben ihnen mit der Operation das Leben genommen, auch wenn sie danach noch sehen, hören und denken konnten. Diese Treiber sind tot. Innerlich tot. Können Sie sich vorstellen, was es heißt, einem Menschen das Gehirn zu zerschneiden, so daß er nicht mehr fühlt, keine Liebe, keine Hoffnung, keine Furcht und keine Sehnsucht mehr besitzt? Können Sie sich nicht die Kälte vorstellen, die in einen derart vergewaltigten Menschen einziehen muß, diese Leere, die …«
    Er verstummte, schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte der Treiber, »Sie können es sich nicht vorstellen. Sie sind kein
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