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Die Terranauten TB 06 - Monument der Titanen

Die Terranauten TB 06 - Monument der Titanen

Titel: Die Terranauten TB 06 - Monument der Titanen
Autoren: Andreas Weiler
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stehen, dann setzte sie sich wieder in Bewegung und schritt auf das kreischende Geschöpf zu.
    Ein an einer Kräuterschale hockender Entrücker sah auf. In den kohleschwarzen Augen des berauschten Rantranen funkelte es.
    »Bleib von dem Orgalla fern«, knurrte der Mann und streckte eine knochige Hand nach ihr aus. Die Rauchfahnen aus der Schale bildeten einen nebligen Vorhang zwischen ihnen. »Das Kind ist besessen. Rühr es nicht an, oder der Fluch trifft dich ebenfalls.«
    »Träum weiter, Rantranen«, sagte Nayala scharf und mit Abscheu in der Stimme. »Träum weiter und sei still.«
    Die Orgalla-Mutter hob überrascht den Kopf, als Nayala vor ihrem Kind stehenblieb. Ihre Augen hatten sich bereits getrübt in der Sorge um ihr Kind. Die Federn ihrer Schwingen waren grau und zeigten an, daß sie bereits lange Jahre in der Schwimmenden Stadt weilte. Nayala nickte. Die Dämpfe der Kochenden See nagten an dem Glanz der Jugend, und wer ihnen zu lange ausgesetzt war, starb einen frühen Tod.
    Der junge Orgalla verstummte für einen Augenblick und sah sie an. Hornfladen lösten sich von seinem kleinen Schnabel, und an seinem Leib hatten sich Geschwüre und Pusteln und eiternde Auswüchse gebildet. Nayala horchte in sich hinein. Hier in der Welt der Magie waren ihre psionischen Sinne weitgehend blockiert, aber manchmal … manchmal konnte sie etwas spüren, so etwas wie einen fernen Hauch nahe der Grundfeste ihres Ichs, so etwas wie abgestufte Hitze und Kälte.
    Und das Orgalla-Kind strahlte Kälte aus.
    »Kannst du … kannst du ihm helfen?« fragte die Mutter mit bebender Stimme. Die Erschöpfung in ihr war ein flackerndes Licht, das bald zu erlöschen drohte.
    Das Kind schrie wieder. Es wälzte sich hin und her und zerrte mit Brachialgewalt an dem Riemen, mit dem es an einen aus der Wand ragenden Dorn gebunden war.
    »Es hat die Fäule«, stellte Nayala tonlos fest.
    »Nein.« Die Mutter breitete kurz die Schwingen aus. »Es trägt einen bösen Geist in sich. Bitte, Rantranen-mit-den-anderen-Augen … bitte, kannst du Djidjit helfen?«
    Nayala kniete sich nieder und wich den schlagenden Flügeln des Orgalla-Kindes aus. In den Knopfaugen flackerten winzige Irrlichter. Sie streckte die Hand aus und berührte den Leib, strich sanft über die Geschwüre hinweg. Die Schreie Djidjits verstummten.
    Nayala horchte in sich hinein.
    Im Geist Djidjits murmelten ein Dutzend verschiedene Stimmen. Das Dunkel wohnte dort, wo vorher helles Licht gewesen war, wo kindliche Träume Illusionen geformt und die Welt aus freudiger Erwartung und Neugier bestanden hatte.
    »Bitte … bitte hilf ihm …«
    Irgendwo in der Nähe wäre ein Zentrum von Kraft, gesteuert von einer starken Identität. Ganz unbewußt zapfte Nayala einen Teil dieser Kraft an, und die Orgalla-Mutter gab ein ehrfürchtiges Rasseln von sich, als sich die Geschwüre ihres Kindes zurückbildeten, die konvulsivischen Zuckungen von Muskeln und Sehnen nachließen. Es vergingen nur einige wenige Augenblicke, dann ging der Atem Djidjits ganz ruhig, und die Ruhemembranen schoben sich über seine Knopfaugen.
    »Du … du bist eine Gabensprecherin«, sagte die Orgalla. Nayala sah das Kind an. Es schlief nun, ebenso wie die fremden Stimmen in ihm. Es würde nicht weiter leiden.
    »Djidjit wird sterben.«
    Die Mutter wandte den Blick. Eine ganze Zeit lang schwieg sie, dann gab sie zur Antwort: »Wenn er sterben muß, dann soll er nicht leiden. Dann soll er friedlich und schlafend eingehen in das Reich der ewigen Ruhe; dann soll er wieder lachen in den Winden, die dort wehen und seine Flügel umschmeicheln.« Sie sah auf. »Ich bin dir sehr dankbar, und ich …« Sie verstummte plötzlich, und in ihren Knopfaugen funkelte Angst, als sie über Nayalas Schulter hinwegsah.
    Nayala stand auf und drehte sich langsam um. Erst jetzt wurde ihr bewußt, daß es still geworden war in der Aufenthaltshalle. Der Hohlknochenverband knirschte leise in den von der Kochenden See emporwehenden Aufwinden.
    »Sie will ich haben«, sagte der Verflucher mit grollender Stimme und deutete mit der ausgestreckten Hand auf Nayala. Die murmelförmigen Malachitsplitter in seinen Augenhöhlen glühten; der fußlange Kilt, in dem die Rottöne überwogen, wirkte wie eine erstarrte Flammenzunge. Neben dem Verflucher stand ein Böenreiter, ein fragiles Geschöpf, das kaum mehr als vierzig Pfund wiegen mochte. Der Ring aus silbernen Sehknospen war wie eine Perlenkette, die seinen eiförmigen Kopf schmückte. Die
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