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Die Tänzer von Arun

Titel: Die Tänzer von Arun
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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verlangsamten ihre Schritte und schlenderten dann auf die Straße. Sie wirkten sehr gemessen.
    Kerris fragte: »Sind es Zwillinge?«
    »Ja«, sagte Charin. »Gerri liebt den Waffenhof. Das Messer und der Tanz sind für sie ein Spaß, eine Lust, ein Spiel. Eines Tages wird sie aufwachen und die Kunst darin begreifen.« Er spreizte die Finger zu einem imaginären Strahlenkranz.
    »Und dann?«
    »Dann wird sie anfangen, ein cheari zu sein.«
    Charins Stimme hatte sich nicht verändert. Doch Kerris spürte eine Trübung in dem Klang, ein verhaltenes, stummes Sehnen. »War es das, was du selber gewollt hast?« fragte er und hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen. Selbst von einem Freund wäre die Frage grausam und ungehobelt gewesen, und er war kein Freund.
    Doch der Hofmeister hob nur die dichten schwarzen Augenbrauen. »Ich wußte nicht, daß man es merkt.«
    »Es tut mir leid«, sagte Kerris.
    »Ich werde in einer kleinen Weile zum Östlichen Hof rüberwandern, um mir den chearas anzuschauen. Hast du Lust, mich zu begleiten?«
    Kerris antwortete: »Ich danke dir. Ja, das würde ich gern.«
    Charin nickte ihm zu. »Es ist leicht, sich an einem fremden Ort zu verirren. Entschuldige mich jetzt.« Er ging zu den Kampfkreisen zurück, und Kerris konnte jetzt sehen, daß er auf dem rechten Bein ein wenig hinkte. Aber abgesehen davon schritt er wie ein Cheari, graziös, federnd und vollkommen kontrolliert.
     
    Kerris wanderte herum.
    Er wollte von dem Waffenhof fort. Er war ärgerlich auf sich selber. Als er zwei Straßen weit in dem Lärm der großen Stadt herumgetrieben war, ließ ihn ein Melodienstrang plötzlich den Schritt verhalten. Es war nicht der Klang einer menschlichen Stimme. Noch nie hatte er dergleichen gehört: ein weiches, drängendes, verwischtes Klagen. Er folgte dem Klang um eine Straßenecke.
    Er kam in eine Gasse hinter einer Werkstatt. In der Gasse fand er einen Haufen verfaulenden Gemüses, einen Hund, der in einem Rinnstein wühlte, und drei Kinder, die auf einem Stapel staubiger zerbröckelnder Ziegel hockten. An der Wand hinter ihnen wuchs ein kümmerlicher Efeustrauch empor. Es roch nicht unangenehm in der Gasse, wenn auch etwas dumpf. Zwei der Kinder erkannte er sofort wieder: es waren die Zwillinge, Gerri und Danu. Sie standen auf, um das dritte Kind mit den Schultern zu decken.
    »Es tut mir leid«, sagte Kerris rasch. »Ich geh sofort wieder weg, wenn ihr wollt. Aber ich mag den Klang wirklich – die Musik.«
    Die Kinder traten auseinander. »Wir haben, gedacht, du bist Ree«, sagte Gerri. »Er mag Suya nicht.« Das Kind hieß also Suya. Es war kleiner als die Zwillinge, mager, staubbedeckt und wirkte sprungbereit und verschreckt. Seine Haare waren schwarz wie die Gerris, doch seine Haut war braun. Seine Kleider waren voll Staub, aber das waren schließlich die der Zwillinge ebenfalls. Die Füße waren nackt. Er wirkte älter als die zwei anderen Kinder und viel abgerissener.
    Kerris ging in der staubigen Gasse in die Hocke. Der Hund trottete herbei und beschnüffelte ihn. Er schob die Schnauze von seinem Pack fort, denn er wußte, es mußte nach dem Salzfleisch riechen. »Hau ab!« sagte Gerri und bückte sich, um einen Ziegelscherben aufzuheben. Der Hund schlich mit eingezogenem Schwanz vor der Drohung davon.
    Gerri blickte finster drein. »Es ist nicht richtig. Sogar wenn das die Hinterseite von seiner blöden Werkstatt ist!« Suya murmelte ihr etwas zu, und sie redete nicht weiter.
    Kerris bat: »Würdest du mir zeigen, wie du diesen Klang hervorbringst?«
    Suya öffnete die Hand. Die Fingernägel waren abgesplittert und hatten schwarze Schmutzränder. In der kleinen Handfläche lagen hölzerne Röhren. Sie waren lang und schmal, und es waren Löcher darin. Der Junge hob das Holz an den Mund und blies darauf. Er schob die Röhren an seinen Lippen vorbei, und die Klagetöne wurden höher. Er führte das Instrument nach der anderen Seite, und das Klagen wurde dunkler und traurig. Kerris hörte fasziniert zu. Es klang wie eine Vielzahl von Stimmen, die alle zugleich, aber in verschiedener Tonhöhe sangen, und doch alle miteinander verschmelzend.
    »Was ist das?« fragte er.
    Suya hockte auf den Ziegeln. »Ein sho.«
    »Wie funktioniert es?«
    Der Junge zuckte die Achseln.
    »Mach noch mehr!«
    Der Knabe hob das Instrument an die Lippen und spielte eine langsame, träumerische Melodie. Kerris schloß die Augen und versuchte sich zu erinnern, wo er so etwas schon einmal gehört hatte. Es
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