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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret
Autoren: Emile Zola
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Archangias
hinzu in heulendem Vorsängerton. Vinzenz im Chorhemd ging voraus,
er trug das Kreuz, ein großes Kupferkreuz, von dem das Silber halb
abgeblättert war; mit beiden Händen hob er es sehr hoch. Dann kam
der Abbé Mouret, blaß, im schwarzen Meßgewand, er hielt den Kopf
gerade und sang mit sicheren Lippen, den Blick geradeaus in die
Ferne gerichtet. Die brennende Kerze in seiner Hand funkelte kaum etwas heller als das
Tageslicht. Und zwei Schritte hinter ihm, ihn fast berührend,
schwankte der Sarg Albines, den vier Bauern auf einer Art
schwarzbemalter Bahre trugen. Ein zu kurzes Tuch bedeckte den Sarg
nur ungenügend, so daß man am Fußende die frischgefügten
Tannenbretter erblickte, von Nagelköpfen stählern beglitzert.
Mitten hin über das Tuch hatte man weiße Rosen, Hyazinthen und
Tuberosen reichlich ausgestreut; sie stammten vom Bett der
Toten.
    »Gebt doch acht!« schrie Bruder Archangias die Bauern an, als
diese die Bahre etwas schräg neigten, um sie, ohne anzustoßen,
durch das Gitter zu bringen. »Ihr werdet gleich umwerfen!«
    Und er stützte den Sarg mit seinen riesigen Tatzen. In
Ermangelung eines zweiten Chorknaben trug er den Weihwasserkessel;
auch den Vorsänger mußte er ersetzen, da der Feldhüter nicht
abkömmlich war.
    »Ihr anderen könnt auch hereinkommen,« sagte er, sich
umdrehend.
    Da kam noch ein Trauergeleite, Rosaliens Kleinen brachte man,
der am Tage vorher seinen Krämpfen erlegen war. Es bestand aus
Vater und Mutter, der alten Brichet und Katharina, sowie zwei
erwachsenen Mädchen, der Fuchsigen und Lisa. Diese trugen den Sarg
des Kleinen zwischen sich.
    Die Stimmen schwiegen plötzlich, es wurde wieder still. Die
Glocke läutete stetig fort, langsam und kläglich. Das Trauergeleit
durchschritt den ganzen Friedhof, um nach dem Winkel zu gelangen,
der von Kirche und Hofmauer gebildet wurde.
    Heuschreckenzüge flogen davon, Eidechsen huschten schnell in
ihre Löcher zurück. Über diesem Stück fetter Erde brütete es noch drückend heiß. Ein schwaches
Knirschen der Grashalme, die von den Füßen der Leidtragenden
niedergetreten wurden, hörte sich an wie ersticktes Schluchzen.
    »Hier bleibt ihr stehen,« sagte der Bruder und vertrat den
beiden großen Mädchen, die den kleinen Sarg trugen, den Weg. »Ihr
wartet, bis ihr an die Reihe kommt; ihr braucht uns nicht die Füße
abzutreten.«
    So stellten die großen Mädchen den kleinen Sarg auf die Erde,
Rosalie, Fortunat und die alte Brichet blieben in der Mitte des
Friedhofes stehen, nur Katharina folgte verstohlen Bruder
Archangias. Das Grab Albines hatte man links vom Grabstein des
Abbés Caffin ausgeschaufelt, dessen Weiße in der Sonne wie
silberbeflittert erschien. Die gähnende, noch frische Grube tat
sich auf im dichtwuchernden Gras; lange Halme bogen sich
halbentwurzelt über den Rand; eine Blume war auf den Grund
gefallen, rot überblätterte sie die Erdschwärze. Als der Abbé
Mouret vortrat, gab der lockere Boden nach unter seinen Füßen; er
mußte zurückweichen, um nicht in das Grab zu stürzen.
    »
Ego sum
… « stimmte er an mit kräftiger, voller Stimme,
die das Klagewimmern der Glocke übertönte. Bei den Endstrophen
konnten die Umstehenden sich nicht enthalten, verstohlene Blicke in
die noch leere Höhle zu tun. Vinzenz, der das Kreuz am Fuß der
Grube, dem Priester gegenüber, aufgepflanzt hatte, ließ duch
Scharren kleine Sandstrahlen rinnen, deren Niederrieseln er
aufmerksam betrachtete, Katharina, die sich, um besser zu sehen,
hinter ihm vorbeugte, mußte hierüber lachen. Die Bauern hatten die
Bahre ins Gras gestellt und rieben sich die Arme, während Bruder
Archangias den Weihwasserwedel bereitete.
    »Hierher, Packan!« rief Fortunat.
    Der große schwarze Hund, der die Bahre umschnupperte, kam
mürrisch zurück.
    »Wer hat denn auch den Hund mitgenommen?« rief Rosalie.
    »Jemine, er wird uns wohl nachgelaufen sein,« sagte Lisa, im
stillen erfreut.
    All diese Leute umstanden unter halblauten Gesprächen den Sarg
des Kleinen. Der Vater und die Mutter vergaßen ihn von Zeit zu
Zeit, sahen sie ihn dann plötzlich zu ihren Füßen stehen,
verstummten sie.
    »Und Vater Bambousse hat also nicht kommen wollen?« erkundigte
sich die Fuchsige.
    Die alte Brichet hob die Augen zum Himmel.
    »Gestern, als der Kleine starb, sagte er, alles möchte er kurz
und klein schlagen. Nein, ein guter Mann ist das nicht, ich muß es
sogar in deiner Gegenwart sagen, Rosalie. Erdrosselt hat er mich um
ein Haar und dabei
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