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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret
Autoren: Emile Zola
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ganzen Abend
getanzt.«
    Aber Desiderata klatschte in die Hände und rannte geschäftig hin
und her. Sie, die Teusin, hatte sich die Beine abgelaufen, wie sie
sagte. Seit morgens sechs Uhr kugelte sie ihr Schwergewicht von der
Küche in den Hof und zurück. Sie war es, die das Blut gequirlt
hatte, zwei ganz große Schüsseln voll, in
der heißesten Sonne. Um ein Haar wäre sie nicht fertig geworden,
weil das Fräulein sie für nichts und wieder nichts immer abrief.
Allerdings hatte Desiderata gerade, da der Schlächter Matthias
abstach, sich sehr aufregen müssen, als sie den Stall betrat.
Liese, die Kuh, war im Begriff zu kalben. Vor übergroßer Freude
hatte sie da völlig den Kopf verloren.
    »Das eine geht, das andere kommt,« schrie sie unter
Freudensprüngen und drehte sich um sich selbst. »So sieh doch,
Teusin.«
    Es war elf Uhr. Von Zeit zu Zeit drang Gesang aus der Kirche.
Ein unbestimmtes Gemurmel klagender Stimmen ließ sich vernehmen und
Gebetraunen, aus dem sich plötzlich Bruchstücke laut gesprochener
lateinischer Sätze hoben.
    »So komm doch,« wiederholte Desiderata wohl zum zwanzigsten
Male.
    »Ich muß jetzt läuten gehen,« knurrte die alte Magd, »sonst
werde ich nie fertig. Was ist denn jetzt wieder los, Fräulein?«
    Aber sie wartete die Antwort nicht ab, sondern machte sich über
eine Schar von Hühnern her, die gierig das Blut aus den Schüsseln
trank. Mit wütenden Fußtritten trieb sie sie auseinander. Dann
deckte sie die Schüsseln zu und sagte:
    »Anstatt mich die ganze Zeit zu plagen, täten Sie besser daran,
auf dies diebische Gesindel achtzuhaben … Wenn das so
weitergeht, bekommen Sie keine Blutwürste, verstanden?«
    Desiderata lachte. Wenn auch die Hühner ein wenig Blut tranken,
so war das kein großes Unglück. Fetter wurden sie davon. Dann wollte sie die Teusin mit
Gewalt zu der Kuh schleppen, doch diese wehrte sich.
    »Ich muß jetzt läuten … Die Beerdigung wird gleich
anfangen, hören Sie doch.«
    In diesem Augenblick schwollen die Stimmen in der Kirche an und
erstarben in einem langgezogenen Ton. Ein Geräusch von Schritten
ließ sich sehr deutlich vernehmen.
    »Ach, sieh doch nach,« bat Desiderata beharrlich und drängte sie
nach dem Stall zu; »sag' mir doch, was ich anfangen soll …
«
    Die auf die Streu hingestreckte Kuh drehte den Kopf und
betrachtete sie unverwandt mit ihren großen Augen. Desiderata
behauptete, sie wolle sicher etwas haben. Vielleicht könne man ihr
irgendwie helfen, damit sie weniger litte. Die Teusin zuckte die
Achseln: als ob die Tiere nicht allein mit ihren Angelegenheiten
fertig würden! Man solle sie vor allem nicht plagen. Endlich
steuerte sie der Sakristei zu, stieß aber, als sie am Schuppen
vorbei kam, neues Wehgeschrei aus.
    »Na, warte nur,« sagte sie mit ausgestreckten Fäusten. »Oh, die
Spitzbübin!«
    Im Schuppen lag Matthias, in Erwartung, daß man ihn räuchere,
auf dem Rücken und streckte alle viere von sich. Dem frischen
Messerschnitt an seinem Hals entperlten Blutstropfen. Und eine
kleine, sehr zart aussehende Henne pickte die Blutstropfen, einen
nach dem anderen, auf.
    »Sie läßt es sich eben schmecken,« sagte Desiderata einfach,
bückte sich und klopfte das Schwein auf den gewölbten Bauch und
setzte hinzu:
    »Na, mein Dicker, du hast ihnen oft genug
die Suppe stibitzt, jetzt dürfen sie dir auch ein bißchen den Hals
abknuspern.«
    Eilends riß sich die Teusin die Schürze ab und wickelte sie
Matthias um den Hals. Dann sputete sie sich und verschwand in der
Kirche. Die verrosteten Angeln des großen Tores kreischten, und
Gesang drang ins Freie und in den stillen Sonnenschein hinaus. Mit
einem Male begann die Glocke in einförmig regelmäßigen Schlägen zu
läuten. Desiderata, die noch immer vor dem Schwein auf den Knien
lag und ihm den Bauch beklopfte, hob den Kopf und lauschte, sie
lächelte ruhig weiter. Als sie sich allein sah und vorsichtig nach
allen Seiten Umschau gehalten hatte, stahl sie sich in den Stall
und zog die Türe hinter sich zu. Der Kuh wollte sie helfen.
    Das kleine Gittertor des Friedhofes, das man so weit als möglich
zu öffnen versucht hatte, um den Sarg durchzulassen, hing halb
losgerissen neben der Mauer. Auf dem kahlen Feld schlief die Sonne
im dürren Gras. Der Leichenzug trat ein unter Absingen der letzten
Strophe des Miserere, es gab eine kurze Stille.
    »
Requiem aeternam dona ei, domine
», hob der Abbé Mouret
wieder an.
    »
Et lux perpetua luceat ei
,« fügte Bruder
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