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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret
Autoren: Emile Zola
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lau erstickende Luft, die ins Zimmer
zu fluten schien und dünn schwelend zog. Albine schlief, sehr weiß
und lächelnd auf ihrem Lager von Hyazinthen und
Tuberosen. Auf dem Herzen lagen die Hände,
sie war in Wahrheit tot und vollkommen glücklich. Vor dem Bett
stehend, betrachtete der Arzt sie lange mit den durchdringenden
Blicken des Gelehrten, der eine Erweckung bewerkstelligen möchte.
Nicht einmal ihre gefalteten Hände tastete er an; die Stirne küßte
er ihr an der Stelle, die ihre Mutterschaft schon leicht
überschattete. Mit dumpfer Regelmäßigkeit klang unten im Garten
Jeanbernats Spaten.
    Nach Ablauf einer halben Stunde kam der Alte herauf. Er war
fertig mit seiner Arbeit. Den Arzt fand er am Bett sitzend, so in
Gedanken vertieft, daß er nicht zu bemerken schien, wie ihm große
Tränen die Wangen überrannen. Die beiden Männer wechselten nur
einen Blick. Dann, nach einem Schweigen:
    »Sie sehen, ich hatte doch recht,« sagte Jeanbernat und rundete
wieder jene weite Armbewegung. »Der Himmel ist leer. Es gibt
nichts, nichts, nichts … Das Ganze ist ein schlechter
Scherz.«
    Er blieb stehen und hob Rosen auf, die vom Bett gefallen waren;
eine nach der anderen streute er über Albinens Kleid.
    »Blumen sind kurzlebig,« redete er weiter. »Wüste Brennesseln
aber, wie ich, überdauern die Steine, aus denen sie
aufwachsen … Jetzt heißt es Guten Abend, ich will auch
abfahren. Mein letztes bischen Sonne hat man mir ausgeblasen. Ein
schlechter Scherz ist das Ganze… «
    Und jetzt ließ auch er sich nieder. Er weinte nicht, die starre
Verzweiflung eines Automaten, dessen Uhrwerk zerbricht, lag über
ihm. Mechanisch streckte er die Hand aus und nahm ein Buch von dem
kleinen, veilchenüberdeckten Tisch. Eines
der Bücher vom Speicher war es, ein einzelner Band Holbach, in dem
er von früh an gelesen hatte, während er bei Albines Leiche
Totenwacht hielt. Da der Arzt sein gramvolles Schweigen nicht
brach, begann er neuerlich zu blättern.
    »Wenn Sie mir behilflich sein wollten,« sagte er zu dem Arzt,
»könnten wir sie zusammen heruntertragen und mitsamt den Blumen
begraben.«
    Onkel Pascal überlief es. Er setzte auseinander, daß es nicht
erlaubt sei, die Toten dieserart bei sich zu behalten.
    »Was soll das heißen, nicht erlaubt!« rief der Alte, »so werde
ich mir die Erlaubnis eben nehmen. Gehört sie denn nicht mir?
Glauben Sie vielleicht, daß ich sie mir von den Pfaffen fortnehmen
lassen werde? Die sollen es nur versuchen, mit Flintenschüssen
werde ich sie empfangen.«
    Er war aufgestanden und schwang das Buch in schrecklicher
Erregung. Der Arzt ergriff seine Hände, preßte sie zwischen den
seinen und bat ihn, sich zu beruhigen. Lange Zeit redete er auf ihn
ein und sagte alles, was ihm nur irgend einfiel; er klagte sich an,
halbe Geständnisse entschlüpften ihm, dann wendete er unbestimmt
die Rede jenen zu, die den Tod Albines verschuldet hatten.
    »Hören Sie auf mich,« sagte er endlich, »sie gehört Ihnen nicht
mehr, Sie werden sie ihnen ausliefern müssen.«
    Aber Jeanbernat schüttelte den Kopf und machte eine abweisende
Bewegung. Immerhin war sein Entschluß ins Wanken gekommen, und
endlich sagte er:
    »Gut, sie sollen sie nur holen. Möchte sie ihnen die Arme
zerbrechen… Ich wollte, sie stiege heraus aus ihrer Erde, auf daß
sie alle vor Angst verreckten …  Übrigens habe ich da drüben noch etwas zu besorgen.
Ich will morgen hingehen … .«
    Und als der Arzt gegangen war, setzte er sich wieder an das Bett
der Toten und las ernsthaft weiter in seinem Buch.

Kapitel 16
     
    An diesem Morgen gab es aufgeregtes Hin und Her im
Wirtschaftshof des Pfarrhauses. Der Metzger vom Artaud hatte das
Schwein Matthias in der Scheune geschlachtet. Desiderata hielt
voller Eifer die Beine des Schweines, während man es schlachtete,
sie küßte es auf das Rückgrat, damit es weniger vom Messer spüre,
und versuchte ihm klarzumachen, man müsse es eben jetzt umbringen,
wo es so schön fett sei. Niemand konnte besser als sie, mit einem
einzigen Hieb Gänsen den Kopf abschlagen oder mit der Schere
Hühnern die Gurgel durchschneiden. Ihre Tierliebe fand sich voller
Gleichmut mit diesen Morden ab. Es war eben nötig, sagte sie, den
Jungen, die heranwuchsen, mußte Platz geschafft werden. Sie war
voller Heiterkeit.
    »Fräulein,« zankte die Teusin, »Sie werden sich krank machen. Es
ist unvernünftig, sich so anzustellen, weil man ein Schwein
schlachtet. Erhitzt sind Sie, als hätten Sie einen
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