Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternenfaust - 113 - Abgrund des Geistes

Sternenfaust - 113 - Abgrund des Geistes

Titel: Sternenfaust - 113 - Abgrund des Geistes
Autoren: Anonymous
Vom Netzwerk:
William schrie.
    Er schrie, als seine Ellenbogen und Fersen in den weich gewordenen Boden einsanken und sich Fäden des dickflüssigen Etwas, zu dem die STERNENFAUST II geworden war, über seine Schultern legten. Und er schrie, als seine Hände bei seinem Versuch, sich aufzurichten, tief in der breiigen Masse verschwanden und er sie nicht mehr herausziehen konnte.
    Er war gefangen! In einem Bild, das irrationaler nicht hätte sein können.
    »Ich …«, rief er keuchend und spürte, wie ihm kalter Schweiß auf die Stirn trat. »Ich brauche Hilfe!«
    Doch niemand kam. Die Tür zu seinem Quartier blieb verschlossen – zumindest das, was aus ihr geworden war: ein dicker Haufen verschwommener Formen und Farben. Überall ging der Raum aus seinen Maßen und Beschränkungen heraus. Winkel verzogen sich ins Unvorstellbare, jenseits aller euklidischen Definitionen und Gesetzmäßigkeiten. Abstände dehnten sich aus und zogen sich doch im gleichen Augenblick wieder zusammen, als wäre beides ein und die gleiche Bewegung und Physik kaum mehr als ein Wort, dessen Bedeutung nicht länger Relevanz besaß. Nicht jetzt zumindest, am Rande der Wirklichkeit, nicht hier draußen.
    Bruder William Beaufort erkannte die Welt, in die er plötzlich und unvorbereitet geraten war, nicht wieder. In diesem Moment wusste er nur, dass sie sein Ende bedeuten würde. Und wenn nicht für seinen Körper, so doch mindestens für seinen Geist.
     
    *
     
    Gott braucht nicht die eignen Gaben, noch der Menschen Hast.
    Am besten dient, wer dient nach altem Brauch.
    Sein Königswort nimmt Tausende in Pflicht
    Und schickt durch Meer und Land sie ohne Rast.
    Und wer nur steht und wartet, dienet auch.
    John Milton, Auf seine Blindheit (Sonett 19)
     
    *
     
    William Beaufort stöhnte, als die Wand vor ihm von der Mitte aus zerschmolz und sich weit öffnete, wie die Blüte einer Blume. Sterne, überall waren Sterne, hell leuchtend und doch kalt wie Eis. Ein direkter, ungehinderter Blick ins All, ohne Fenster, ohne Kraftfeld.
    Eigentlich müsste ich jetzt tot sein , schoss es dem Mönch des Christophorer-Ordens von Sirius III durch den Kopf, während die Bedeutung des Schauspiels vor seinen Augen endlich seinen Verstand erreichte. Er sah ins All! Da war ein Loch in der Außenhülle der STERNENFAUST II !
    William hielt den Atem an, schloss die Augenlider und wartete darauf, mit der Luft aus dem Inneren des Schiffes gezogen zu werden, hinaus ins endlose Vakuum und die ewige Nacht. Doch nichts dergleichen geschah, alles blieb ruhig. Nahezu totenstill.
    Als er die Augen vorsichtig wieder öffnete, hatte sich die Szene geändert. Das Loch in der Außenwand war breiter geworden. Stück für Stück verflüssigte sich das Material, aus dem der Sondereinsatzkreuzer des Star Corps einst gebaut worden war und wurde zu einer gallertartigen Masse, die zunehmend an Dicke und Festigkeit verlor. Runde, große Tropfen lösten sich von den Wänden und glitten hinab, ähnlich wie Wachstropfen an einer Kerze.
    Und dann spürte William, wie der Boden, auf dem er lag, unter ihm noch weiter nachgab!
    »Nein!«, schrie er auf, als sich die Erkenntnis seines drohenden Versinkens in seinem Bewusstsein breitmachte. Nicht so! Bitte nicht so!
    Wie Treibsand schloss sich die Masse, die Substanz des Schiffes Millimeter um Millimeter um seinen wehrlosen Körper. Und mit jeder Regung, die der Mönch ihr entgegensetzte, beschleunigte sich der Prozess nur noch. William war kein allzu ängstlicher Mensch. Nach allem, was er auf seinen Reisen bisher erlebt und durchgestanden hatte, gehörte schon vieles dazu, um ihn noch in Panik zu versetzen. Doch in diesem Augenblick fürchtete er sich, wie nie zuvor in den 29 Jahren seiner Existenz.
    Es war weniger das drohende Ende, das ihn so erschütterte, als die Absurdität des Ganzen. Als Christophorer wollte er verstehen, wollte lernen und begreifen. Dazu war er einst aufgebrochen, dazu hatte er sich der Crew dieses Raumschiffes angeschlossen – und jetzt so unwissend, so nutzlos abtreten zu müssen, kostete ihn nahezu die gesamte Selbstbeherrschung. Es war unfair und erschreckend sinnlos.
    »Wehren Sie sich nicht, Meister!«, erklang eine krächzende, leise Stimme hinter ihm. Und obwohl die Anrede »Meister« kaum auf ihn gemünzt sein konnte – oder etwa doch? – erkannte William den Redner sofort. Das war Mauritio!
    »Abbo?«, flüsterte der Christophorer, und es klang mehr als ungläubig. Kalte Schauer liefen über seinen Körper und die breiige
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher