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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret
Autoren: Emile Zola
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und
Flanken; ihre kleine Nacktheit verhüllte sich in Rosen. Über die
Deckenbläue, die länglichen, von zartfarbenem Bandgeschlinge
umrahmten Wandfelder, die altersverwischten galanten Malereien
spannten sich Rosenschleier, ein wehender Mantel von Rosen. Das
große Zimmer war geschmückt. Hier wollte sie den Tod erwarten.
    Eine kleine Weile stand sie und sah in die Runde. Gedankenvoll
suchte sie zu erforschen, ob der Tod zugegen sei. Sie raffte die
Gewürzkräuter auf, Zitronat, Minze, Eisenkraut, Balsaminen und
Fenchel, bog sie, wirrte sie ineinander zu Gefügen, mit denen sie
die kleinsten Spalten und Löcher von Tür und Fenstern ausdichtete.
Dann zog sie die grobgenähten Kattunvorhänge zusammen und streckte
sich still, ohne Seufzen auf das Bett, das Blütenlager von
Hyazinthen und Tuberosen.
    Eine letzte Lust war es. Mit weit offenen Augen lächelte sie dem
Zimmer zu. Mit wieviel Liebe hatte sie dies Zimmer nicht erfüllt,
und wie selig starb es sich hier. In dieser Stunde kam ihr nichts
Unreines mehr von den Stuckamoretten, nichts Erregendes von den
Malereien. Nur erstickende Blumendüfte zogen unter der Deckenbläue.
Und dieser Duft schien der Duft längst vergangener Liebe zu sein,
der den Alkoven lau durchwehte, atemberaubend starker Duft. Vielleicht war es Atem der vor einem
Jahrhundert hier verstorbenen Dame. Sie fühlte sich vor Entzückung
unbeweglich, die Hände über dem Herzen faltend, lächelte sie und
lauschte den Düften, die flüsternd ihren Kopf durchschwirrten. Sie
spielten ihr seltsame Duftmusik auf, die sie langsam, ganz langsam
einschläferte. Erst kam ein kindisch lustiges Vorspiel: ihren
Händen, die die Gewürzpflanzen brachen, entströmte der herbe Geruch
zusammengepreßter Kräuter, die ihr vom tollen Rasen ihrer ersten
Mädchenzeit in der Wildnis des Paradeis erzählten. Dann ließ ein
Flötenlied sich vernehmen, zartes, moschusduftendes Tönen, das den
Veilchenstimmen auf dem Tisch am Kopfende des Bettes entquoll. Und
dieses Lied, dessen Melodie ruhig begleitend die Lilien auf dem
Spiegeltisch überzierte, sang vom ersten Zauber ihrer Liebe, dem
ersten Geständnis unter hohen Bäumen im Gehölz, vom ersten Kuß. Ihr
Atem ging schwerer; jetzt trat die Leidenschaft auf im jähen
Ausbrechen scharfduftender Nelken, deren Kupferstimmen eine
Zeitlang alles übertönten. Sie glaubte vergehen zu müssen bei den
kranken Klängen der Ringelblumen, der Mohnblüten, die sie an die
Qualen des Begehrens erinnerten. Und plötzlich beruhigte sich
alles, sie vermochte freier zu atmen und entglitt in sanfte Tiefen,
abwärts gewiegt vom Choral der Malven, der sich verlangsamte, sich
löste in eine wunderbare Hymne; Heliotropgesang kündete das Nahen
der Hochzeit. Hier und dort flochten die Nachtviolen verschwiegene
Triller ein. Eine Stille dann. Schmachtend begannen die Rosen. Von
der Deckenwölbung floß ein Chor ferner Stimmen. Reicher
Zusammenklang war es, dem sie anfänglich leise erschauernd
lauschte. Der Chor wurde lauter, bald war sie ganz durchbebt von den gewalttätigen, sie umschütternden
Klängen. Die Hochzeit brach an. Rosenfanfaren kündeten den grausig
süßen Augenblick. Sie keuchte, preßte fester und fester die Hände
aufs Herz, ihrer selbst nicht mehr mächtig, sterbend. Sie öffnete
den Mund mit vergehenden Sinnen, dem erlösenden Kuß entgegen, als
Hyazinthen und Tuberosen aufdampften und sie einhüllten in so
tiefen letzten Seufzer, daß der Rosenchor von ihm verdunkelt
wurde.
    Albine war gestorben, in schluchzend höchster Lust.

Kapitel 15
     
    Am nächsten Tag gegen drei Uhr sahen die Teusin und Bruder
Archangias, die auf dem Vorplatz des Pfarrhofes sich besprachen,
den leichten Wagen des Doktors Pascal in vollem Galopp das Dorf
durchqueren; heftige Peitschenhiebe fielen aus dem Verdeck.
    »Wohin rast er denn so?« murmelte die alte Dienerin. »Er wird
sich den Hals brechen.«
    Der Wagen war am Fuß der Anhöhe angelangt, auf der die Kirche
stand. Jäh bäumte sich das Pferd und hielt an, und der Kopf des
Arztes ohne Hut und mit zerwühlten Haaren streckte sich aus dem
Verdeck.
    »Ist Sergius zu Hause?« schrie er mit wutbebender Stimme.
    Die Teusin war bis zum Rand der Anhöhe vorgegangen.
    »Der Herr Pfarrer ist in seinem Zimmer,« gab sie zur Antwort.
»Er wird wohl sein Brevier lesen … Haben Sie ihm etwas zu
sagen? Wünschen Sie, daß ich ihn rufe?«
    Onkel Pascal, dessen Antlitz ganz verstört
war, machte eine schreckliche Bewegung mit der rechten, die
Peitsche
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