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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret
Autoren: Emile Zola
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Fürsorglichkeit
angesichts dieser fortschreitenden Auflösung. Fast täglich mußte
der Pfarrer es anlegen. Und wie es ersetzen, wie die drei Gewänder
beschaffen, deren Amt es versah, wenn die letzten Goldfäden
zerschlissen sein würden!
    Die Teusin breitete über das Meßgewand die Stola hin, Manipel,
Gürtel, Chorhemd und Achseltuch. Aber ihr Mundwerk stand nicht
still trotz eifriger Bemühungen, die Manipel kreuzweise über die
Stola zu legen und die Gürtelschnur in so kunstvollen Windungen
anzuordnen, daß sich das gesegnete Zeichen des hochheiligen Namens
Maria bildete. »Diese Gürtelschnur taugt nicht mehr viel,« murmelte
sie. »Sie sollten sich entschließen, eine neue zu kaufen, Herr
Pfarrer. Wenn ich Hanf hätte, könnt' ich Ihnen sogar selbst eine
weben.«
    Der Abbé Mouret gab keine Antwort. Auf einem kleinen Tisch
stellte er den Kelch bereit, einen großen alten Kelch aus
vergoldetem Silber mit Bronzefuß, dem rohhölzernen Schranke
entnommen, der geweihte Gefäße und Linnen, heilige Öle, Meßbücher,
Kerzenhalter und Kreuze barg. Über den Kelch legte er ein frisches
Reinigungstuch, stellte auf das Tuch den Hostienteller aus
vergoldetem Silber, der eine Hostie enthielt, und verhüllte diese
mit kleiner leinener Kelchdecke. Als er den Kelch verschleierte,
mit in zwei Falten gepreßtem Goldstoff, dem gleichen, aus dem das
Meßgewand bestand, rief die Teusin:
    »Halt, es ist kein Meßtuch im Beutel… Gestern abend habe ich
alle Reinigungstücher sowie die Kelchdecken und die gebrauchten
Meßtücher mitgenommen, um sie zu waschen, für sich, versteht sich,
nicht mit der anderen Wäsche … Ich
vergaß zu sagen, Herr Pfarrer; gerade habe ich die Lauge angesetzt.
Sie ist schön kräftig; besser als das letztemal.«
    Und während der Priester ein Meßtuch in den Beutel gleiten ließ
und auf die Umhüllung den Beutel tat, den ein goldumgebenes
Goldherz schmückte, fing sie aufgeregt wieder an:
    »Dabei fällt mir ein, bald hätte ich's vergessen, dieser Bengel
von Vinzenz ist nicht gekommen. Wollen Sie, daß ich die Messe
bediene, Herr Pfarrer?«
    Streng sah sie der junge Priester an.
    »Ach! Das wäre keine Sünde,« fuhr sie fort mit gutmütigem
Lächeln. »Einmal habe ich sie schon bedient, die Messe, zur Zeit
von Herrn Caffin. Ich bediene sie doch sicher besser als Schlingel,
die ein Heidengelächter loslassen wegen einer Fliege, die in der
Kirche summt … Gehen Sie mir, wenn ich auch eine Haube trage,
sechzig Jahre alt bin und turmdick, so habe ich doch mehr
Hochachtung vor dem lieben Gott als diese Lausebengels, die ich
neulich wieder hinter dem Altar beim Bockspringen ertappte.«
    Der Priester sah sie immer noch an und schüttelte abweisend den
Kopf.
    »Ein rechtes Nest, dieses Dorf,« schalt sie. »Nicht einmal
hundertfünfzig Seelen. An manchen Tagen, so wie heute, ist nicht
ein Mensch im ganzen Artaud aufzutreiben. Bis zu den Wickelkindern
ist alles in den Weinbergen! Wenn ich nur wüßte, was da wohl viel
zu tun ist in den Weinbergen! Disteldürre Weinstöcke, die in
Kieseln wachsen! Ein Land für Wölfe, meilenweit von jeder Straße!
Wenn nicht ein Engel herabsteigt zum Messedienen, Herr Pfarrer,
bleibe nur ich Ihnen übrig, aufmein Wort! Oder
eines der Kaninchen von Fräulein Desiderata, mit Verlaub.«
    Gerade in diesem Augenblick aber öffnete Vinzenz, der jüngere
Brichet, die Sakristeitüre. Sein rotes Borstenhaar, seine kleinen,
grau schillernden Augen waren der Teuse ein Ärgernis.
    »Oh, du Spitzbube!« rief sie. »Wetten könnte ich, daß er
geradewegs von irgendeiner Untat kommt … So eil' dich, Strick,
da der Herr Pfarrer ja Angst hat, ich könnte den lieben Gott
verschandeln!«
    Als er den Jungen sah, hatte der Abbé Mouret das Achseltuch
genommen, küßte das Kreuz in der Mitte und legte es sich einen
Augenblick auf den Kopf, dann, es auf den Kragen seiner Sutane
zurückschlagend, schlang er und band die Schnüre, die rechte über
die linke. Darauf zog er das Chorhemd, Symbol der Reinheit, an, mit
dem rechten Arm zuerst. Vinzenz, hingekauert, kroch um ihn herum,
ordnete das Chorhemd zurecht und gab acht, daß es überall
gleichmäßig, zwei Finger breit von der Erde, hänge. Sodann reichte
er dem Priester die Gürtelschnur, der sich fest damit die Lenden
gürtete, um dadurch die Stricke zu versinnbildlichen, die den
Erlöser fesselten auf seinem Leidenswege.
    Eifersüchtig, gekränkt, stand die Teusin da und versuchte sich
still zu verhalten; die Zunge brannte ihr aber
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