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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret
Autoren: Emile Zola
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Mitte durch. Hierauf löste er von einer der Hälften
ein weniges und ließ es in das kostbare Blut fallen, um die nahe
Einigung mit Gott anzudeuten, der er durch
die Kommunion teilhaftig würde. Mit erhobener Stimme sprach er
das 
Agnus Dei
, sagte leise die drei vorgeschriebenen
Gebete und legte das Bekenntnis seiner Unwürdigkeit ab; und die
Arme, aufgestützt auf den Altar, die Patena unter dem Kinn, nahm er
von beiden Teilen der Hostie gleichzeitig zu sich. In inniger
Betrachtung faltete er die Hände in Gesichtshöhe, sammelte darauf
in das Meßtuch mit Hilfe der Patena die köstlichen abgebröckelten
Bestandteile der Hostie und streute sie in den Kelch. Gleichermaßen
strich er mit dem Zeigefinger ein Teilchen vom Daumen. Und sich mit
dem Kelch bekreuzigend, die Patena wiederum unter dem Kinn, trank
er das heilige Blut in drei Malen, ohne die Lippen vom Kelchrand zu
lösen, und bis zum letzten Tropfen das göttliche Opfer
aufsaugend.
    Vinzenz war aufgestanden, um nochmals die Meßkrüge von der
Kredenz zu holen. Da öffnete sich die Türe des Verbindungsganges
zum Pfarrhaus weit und schlug gegen die Mauer, ein schönes
zweiundzwanzigjähriges Mädchen von kindlicher Miene trat herein,
sie verbarg etwas unter der Schürze.
    »Dreizehn sind es!« rief sie. »Alle Eier waren gut!« Und sie
lüpfte ihre Schürze und ließ eine Brut kleiner Küken sehen, die
flaumig und mit schwarzen Tupfenaugen durcheinander krochen:
    »Seht doch! sind sie nicht süß, die Kleinen!… «
    »Oh, das Weiße steigt den anderen auf den Rücken! Und das
Gefleckte da will schon mit den Flügeln schlagen!… «
    »Die Eier waren wirklich gut. Nicht ein einziges taubes!«
    Die Teusin, die trotz allem bei der Messe
half, und dem Vinzenz die Kanne für die Waschungen reichte, drehte
sich um und sagte ganz laut:
    »Seien Sie doch still, Fräulein Desiderata! Sie sehen doch, wir
sind noch nicht zu Ende.«
    Kräftiger, ländlicher Geruch schlug durch die geöffnete Türe
herein, ein Hauch, der Gärendes, drängend Erblühendes in die Kirche
blies, in die Sonnenwärme, die auch den Altar jetzt überstrahlte.
Desiderata blieb einen Augenblick stehen, beglückt über das junge
Leben in ihren Armen, sah Vinzenz zu, wie er den Wein der Reinigung
einschenkte, sah ihren Bruder diesen Wein trinken, auf daß nichts
von der geheiligten Speise in seinem Munde zurückbliebe. Sie stand
noch da, als er zurückschritt, den Kelch in beiden Händen, um sich
über Daumen und Zeigefinger Wein und Wasser der Reinigung gießen zu
lassen, das er ebenfalls trank. Die Glucke aber suchte ihre Küken
und wollte gackernd in die Kirche hinein. So entfernte sich
Desiderata, mütterlich mit den Küken kosend, in dem Augenblick, wo
der Priester mit dem Reinigungstuch sich die Lippen trocknete und
darauf den Rand und das Innere des Kelches damit abwischte. Dies
bildete das Ende der Dankbezeugungen gegen Gott. Der Ministrant
trug zum letzten Male das Meßbuch nach rechts hinüber. Der Priester
legte auf den Kelch das Meßtuch, die Patena und die Kelchdecke
zurück; dann preßte er wiederum das Gewebe in zwei tiefe Falten und
ordnete den Beutel obenauf, der jetzt das Meßtuch enthielt. Sein
ganzes Sein war von glühender Dankbarkeit erfüllt. Er bat den
Himmel um Sündenvergebung, um die Gnadenmöglichkeit eines
fleckenlosen Wandels, den Verdienst des ewigenLebens. Er blieb hingenommen von diesem Liebeswunder,
von dieser immerwährenden Aufopferung, die tagtäglich ihn speiste
mit dem Fleisch und Blut seines Erlösers. Nach Verlesen der Gebete
wendete er sich und sagte:
    »
Ite, missa est

    »
Deo gratias
,« antwortete Vinzenz.
    Nach erneuter Wendung und Küssen des Altars trat er zurück, die
linke Hand unter der Brust, die rechte Hand erhoben, segnete er die
von Sonnenfrohsinn und Spatzengelärm erfüllte Kirche.
    »
Benedicat vos omnipotens Deus, Pater et Filius, et Spiritus
sanctus

    »
Amen
,« sagte der Ministrant, sich bekreuzend.
    Heller schien die Sonne, und die Spatzen wurden immer
zudringlicher. Während der Priester von der linken Tafel das
Evangelium des heiligen Johannes ablas, das die Unendlichkeit des
Logos verkündet, flammte die Sonne über den Altar, ließ die
falschen Marmorfüllungen erblassen und schlang das Schimmern der
zwei Kerzen auf, deren kurze Dochte nur noch als dunkle Flecken
sichtbar blieben. Das sieghafte Gestirn tauchte in seinen Glanz
Kreuz, Leuchter, Meßkleid und Kelchmantel, all dies vor seinen
Strahlen erbleichende Gold. Und als
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